Allet Super, bloß die U-Bahn fehlt

■ Teil8 der taz-Sommerserie: Berliner auf Voll-Damp(f)-Urlaub bei Eckernförde

Am Eingang zum Paradies steht ein altes Segelschiff auf dem Trockenen: das Ferienzentrum „Damp 2000“ bei Eckernförde hat schon mehrere Konkurse überlebt und erfreut sich trotzdem steigender Beliebtheit, wie die Angebote einer Immobilienfirma mit Sitz in Damp und Bochum zeigen: Auf gut der Hälfte der zu verkaufenden Ferienwohnungen zum Preis von 100.000 bis 180.000 DM hängt bereits der Stempel „verkauft“.

Von der Landseite sieht es aus wie eine mittlere Trabantensiedlung, schaut man vom Meer, wirkt Damp dagegen wie ein überdimensionales Oberstufenzentrum, vor das sich ein Yachthafen verirrt hat. In der Hauptsache besteht der „Ferienpark“ aus drei Hochhaustrakten mit bis zu 15 Etagen, drumherum gruppieren sich Dienstleistungspyramiden, eingeschossige Versorgungseinrichtungen, ein Grünflächen-Areal mit Ferienhäusern und überall Parkplätze. Dazwischen winden sich überdachte Verbindungsgänge mit verblichenem Kachelfries: Der Großstädter fragt sich bloß, wo die U-Bahn-Eingänge abgeblieben sind.

Heute hat ganz Damp eine Scheibe. Auf der können die programmlichen Highlights des Privatsenders Tele5 hin- und hergedreht werden. Verteilt werden sie von einem Promotion-Subunternehmer, der diese Aktion selber für ziemlichen Quatsch hält, weil Tele5 demnächst total umstrukturiert wird. Aber gebucht ist gebucht, und so verteilen sie die Aufkleber, bis auch der allerletzte weg ist.

Ein Enddreißiger-Pärchen aus Berlin sitzt zum Kaffee vor der „Hafenklause“. Obwohl Bettenburgen im allgemeinen nicht ihr Ding sind, sind sie angenehm überrascht von Damp; innen wurde nach der letzten Pleite gründlich renoviert: Eingangshallen wie im Hotel und Ferienwohnungen, die nicht irgendwie, sondern von einer Objekt-Einrichtungs-Gesellschaft gestylt wurden: sie sind nicht übermäßig geschmackvoll, aber auch nicht billig, noch dazu ist die Möblierung sehr praktisch, findet das Pärchen.

„Allet super hier“, bestätigen zwei Kids aus Berlin mit der Scheibe in der Hand: Fußball spielen und Mädchen anmachen sind ihre Hauptbeschäftigungen. Soweit ist der Sohn eines Ehepaars vom bayerischen Land noch nicht, dessen Eltern wegen der Algen an der italienischen Küste Richtung Damp umdisponiert haben. Statt der Algen- gibt es hier eine Wespenplage. In Schwärmen belauern sie die Papierkörbe, der Bonbonhändler greift zur Radikalkur und sammlt sie mit dem Staubsauger ein.

„Total geil“ finden es auch die Jugendlichen hier, die am Abend den Strand für sich haben und mittels Bierdosen und Weinflaschen eine improvisierte Party starten. Eine eingeschworene Fan-Gemeinde: Sie kommen seit Jahren regelmäßig her, treffen die alte Clique wieder und sind froh, ihre Eltern nur zu den Mahlzeiten sehen zu müssen. Bloß eines vermissen die lokalen Dropouts: Einen Raum für sich — für Regenwetter, denn mit dem normalen Kommerz hier wollen sie nichts zu tun haben, und im Haus des Kurgastes fliegen sie raus, wenn sie die Füße auf den Tisch legen.

Wenn die Sonne untergeht, packen sie die Gitarren aus: „Karl, der Kater wurde nicht gefangen.“ Nebenan huschen die Kaninchen durchs Gebüsch, und selbst eine Kuh ist in Damp angekommen: Hinter dem Supermarkt wartet die lebensgroße Milka-Kuh aus Vollplastik darauf, ausgepackt zu werden: Damp-Pause — allolijeh! Lutz Ehrlich