Kondomski alemanski

■ Grüne sammeln für den Schutz des Moskauer Liebeslebens

Einmal im Jahr ein Kondom pro BürgerIn der ehemaligen Sowjetunion — und dann ist die Rarität zu dick, reißt oder bricht, und eine Gebrauchsanweisung liegt auch nicht bei. Wer keine Schwarzmarktbeziehungen hat und kein hartes Geld, um sich Westware zu sichern, läßt es gleich ganz bleiben. Nicht das Lieben: das Verhüten.

„Liebesgrüße nach Moskau“, unter diesem Stichwort wirbt der Kieler Verein „Ballance e.V.“ in Zusammenarbeit mit den grünen Jugendverbänden bundesweit um Spenden für die unterversorgte Bevölkerung der GUS. Nun kann zwar, wer will, in seinem Nachtschränklein nach überschüssigen Kondomen suchen und sie, hübsch verpackt, nach Moskau senden. „Ballance e.V.“ hingegen hat ein Spendenkonto, von dessen Geldern bundesdeutsche Markenware eingekauft und an Verteilerstellen der Moskauer Hochschulen gelangen sollen. Ansprechpartner auf russischer Seite ist die Komsomolskaya Pravda, ehemals die Zeitung des kommunistischen Jugendverbandes, heute ein Reformblatt.

Die Deutsche Aidshilfe e.V., Unterstützerin der Aktion, äußert allerdings erhebliche Bedenken am Sinn des Unternehmens. „Die Sache ist gut gemeint“, sagt Herr Neumann von der Deutschen Aidshilfe, „aber wenn die Konzeption nicht grundsätzlich geändert wird, steigen wir aus. Was sollten selbst eine Million Kondome gegen die babarischen Abtreibungsmethoden in der GUS und gegen die Aidsgefahr bewirken? Nötig wäre eine Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und Kliniken; nötig wäre eine Vermittlung westlichen Know-hows für Kondomherstellung.“

„Ballance e.V.“will die Kritik im Rahmen seiner Möglichkeiten beherzigen. „Wir fahren im September nach Moskau und werden dort Kontakte knüpfen. Wir wollen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort erfragen.“

„Liebesgrüße nach Moskau“ — die sollen vor allem die beginnende Enttabuisierung der simpelsten Sexualaufklärung unterstützen. 12 Millionen Schwangerschaftsabbrüche werden in den Staaten der GUS jährlich vorgenommen. Durchschnittlich drei- bis sechsmal in ihrem Leben muß eine Frau die demütigende Prozedur einer „Fließbandabtreibung“ durchstehen. Die „Ballance“-Abgesandten werden 50.000 Pro-Familia-Aufklärungsbröschüren auf russisch in ihrem Gepäck haben. Und als Tropfen auf dem heißen Stein: soviel Kondome wie möglich, für die eine oder andere sorglose Liebesnacht...

Cornelia Kurth

Kont.: „Ballance e.V.“, T:o431/551763