Skeptischer Blick auf Pekings Politik

■ In der portugiesischen Kolonie Macau werden die Entwicklungspläne durch den Druck Chinas überschattet

Macau (IPS/taz) — Zwei Jahre nach dem benachbarten Hongkong soll auch die winzige portugiesische Kolonie Macau 1999 wieder unter chinesische Oberhoheit fallen. In der nur 17 Quadratkilometer großen Enklave ist der neue Wind der Pekinger Führung bereits jetzt zu spüren. Wiederholte Einwände und Bedingungen Chinas überschatten die wirtschaftlichen Entwicklungsvorhaben.

Den jüngsten Nadelstich versetzte die chinesische Regierung der Kolonie erst letzte Woche, als ein neues, zwei Milliarden US-Dollar teures Projekt offiziell gestartet wurde. Genau gegenüber dem Lisboa Hotel, dem bekanntesten Spielcasino Macaus, soll neues Bauland gewonnen und entwickelt werden. Das Vorhaben ist Teil der Bemühungen des knapp eine halbe Million Einwohner zählenden Macaus, sich von einem verschlafenen, eher heruntergekommenen Urlaubsort für gestreßte Hongkonger in ein attraktives Touristenzentrum zu verwandeln.

Einige Pachtverträge über Grundstücke des Projekts seien ohne vorherige Zustimmung der zuständigen chinesisch-portugiesischen Landgruppe vergeben worden und würden daher nicht anerkannt, teilte die chinesische Seite lapidar mit. Die geladenen chinesischen Vertreter zogen es auch vor, der Zeremonie zum Baubeginn fernzubleiben.

Das 2,5 Hektar große Gebiet hatte Macao bereits 1991 an die mit der Projektabwicklung betraute Nam- Van-Gruppe vermietet. Dafür sei die Zustimmung der Pekinger Regierung gar nicht erforderlich gewesen, betonen die Verwaltungsbehörden in Macao. Gemäß der gemeinsamen Erklärung Portugals und Chinas über die Rückgabe Macaus sei dies nur für Flächen über 20 Hektar der Fall. Beide Länder vereinbaren allerdings in der gemeinsamen Landgruppe, wieviel Land jährlich vergeben werden darf. Ein Teil der Einkünfte füllt einen Landfonds, der nach der Rückgabe 1999 teilweise die öffentlichen Ausgaben Macaos finanzieren soll.

Auch der vereinbarte Preis soll den Chinesen zu niedrig gewesen sein. Nicht wenige Insider äußerten den Verdacht, daß Macau gewisse Investoren wie den Casino-Magnaten Stanley Ho bevorzugt, der mit 20 Prozent an dem Projekt beteiligt ist. Geringere Einnahmen aber schmälern den Zufluß in den Landfonds und damit die Mittel, mit denen die zukünftige chinesische Verwaltung rechnen kann.

Die ablehnende Haltung Chinas konnte zwar das Projekt nicht verhindern, dem Vertrauen privater Investoren ist damit aber nicht gedient. Bei den Interessenten handelt es sich vor allem um Geschäftsleute aus Hongkong, die in den letzten Monaten wegen der steigenden Immobilienpreise in der britischen Kolonie in das billigere Macau auswichen. Sowohl Portugal als auch China fühlten sich durch den jüngsten Kapitalzufluß ermutigt, der Macau einen lang vergeblich erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung verschaffen könnte. Die mit voller innerer Autonomie ausgestattete portugiesische Kolonie stand bisher stets im Schatten der benachbarten Finanz- und Wirtschaftsmetropole. Das Bruttosozialprodukt pro Einwohner beträgt nur knapp 3.500 Dollar, allein 25 Prozent davon werden in den sechs großen Spielcasinos des Landes erwirtschaftet. Neben dem Glücksspielgeschäft sind eine nicht gerade florierende Textilindustrie und der Honkong-Tourismus die einzigen Einnahmequellen des Landes.

Die Sorge um die zukünftigen Finanzen Macaus war es auch, die China im Vorjahr die Augenbrauen über eine geplante Einschienenbahn hochziehen ließ, die etwa 100 Millionen Dollar kosten sollte. Guo Dongpo, Pekings höchster Vertreter in Macau, zeigte sich nicht gerade erfreut über die Belastung der öffentlichen Hand durch solche „unnötigen“ Projekte, wie er sagt.

Ähnlich reagierte China auch im Falle des neuen Flughafens, der ursprünglich Mitte 1993 fertiggestellt sein sollte. Macau kann derzeit nur mit Fähren und Tragflügelbooten von Hongkong sowie per Bahn und Straße vom Festland aus erreicht werden. Die Einwände der Chinesen dürften die Eröffnung mindestens bis Ende 1994 verzögern. Die Schulden des gigantischen Flughafenprojekts, verlangte Lu Ping, ein höherer chinesischer Beamter, Anfang Juli, müßten bis 1999 beglichen sein. „Wir unterstützen den Bau des Macau- Flughafens, wünschen aber, daß er mit möglichst geringen öffentlichen Investitionen ausgeführt wird“, stellte Lu klar.

Tatsächlich unterstütze China den Flughafen vor allem aus einem Grund, wird in der Flughafengesellschaft angedeutet. Zwei Drittel der Investitionen fließen über Bauaufträge an chinesische Gesellschaften. Dies hielt Peking aber nicht davon ab, im Vorjahr den Bau der Landepiste mehr als sechs Monate lang zu blockieren — die Lärmbelästigung der Anrainer in der Festlandstadt Zhuhai würde zu groß sein, hieß es.

Macaus Vizeminister für Transport und Bauten, Luis Vasconcelos, hält diesen Einwand nur für ein Manöver, das einen Streit zwischen den Behörden Pekings, der Sonderwirtschaftszone Zhuhai und der Provinz Guangdong verdecken sollte. Alle drei Regierungen wollten sich den lukrativen Auftrag für die Lieferung von Sand und Felsen für das Fundament der Landepiste sichern. Kaum war der Streit nach langwierigen Verhandlungen geschlichtet, gaben die Chinesen grünes Licht.

Schließlich brachte China im April auch die Privatisierungspläne für die staatliche Fernsehstation Teledifusao de Macau (TDM) vorläufig zu Fall. Das Nein kam von höchster Ebene, obwohl die TDM die Staatskasse mit Verlusten von 75 Millionen Dollar belastet und eine Privatisierung schon allein deshalb geraten schien. Ein betriebsbereites offizielles Sprachrohr für die Zeit nach der chinesischen Übernahme ist in den Augen der Pekinger Führung offenbar sein Geld wert. Yojana Sharma