Helfer weisen Weg durchs Bahnhofslabyrinth

■ Nicht nur Touristen verirren sich im Chaos des Bahnhofs Friedrichstraße/ Weil die zahlreichen Schilder nur Verwirrung stiften, helfen Fahrgastbetreuer der BVG den Orientierungslosen weiter/ Reichsbahn plant keine neue Beschilderung

Mitte. Endlich hat Else Bein die Treppe zum Fernbahnsteig gefunden. »Hier in der Friedrichstraße ist das ganz schön schwer«, sagt die Rentnerin. »Ich kenne Leute, die wieder nach Hause gefahren sind, weil sie sich nicht zurechtfanden.« Jeden Tag irren ratlose Touristen, aber auch alteingesessene Berliner durch den verwinkelten Bahnhof. Die Beschilderung durch die Reichsbahn macht es ihnen nicht leichter. Viele Schilder haben entweder keine Richtungspfeile oder sind an so ungünstigen Ecken angebracht, daß die Orientierung schwer fällt. Und in der Säulenhalle des Bahnhofs gibt es viele Stellen, von denen aus kein einziger Wegweiser zu sehen ist.

Vor allem am westlichen Ende des Bahnhofs, von dem aus der Fernbahnsteig und die Bahnsteige C und D zu erreichen sind, wird die Orientierung zum Abenteuer. Drei Treppen führen zur Nord-Süd-S-Bahn, und jede ist auf andere Weise beschildert. Die Zeichenflut hat hier viele Ratsuchende angeschwemmt: Eine Gruppe anglophoner Interrailer, ein älteres Ehepaar, mehrere alte Damen und drei gefährlich aussehende tätowierte Jünglinge. Retter der Schiffbrüchigen wird Ralf Boehlke von der Fahrgastbetreuung der BVG, der allen binnen kurzer Zeit den rechten Weg weist. »Wenn es uns nicht gäbe, wären die Menschen ganz schön überfordert«, sagt der gelernte Fleischer, der im Rahmen eines ABM- Programms für die Fahrgastbetreuung arbeitet. Sein Kollege Olaf Reeck stimmt zu: »Wir stehen hier knotenpunktmäßig an jeder Ecke und sprechen die Leute an und überbrücken die Beschilderung.«

»Ein Glück, daß wir die Betreuer haben«

Die Fahrgastbetreuung hat die BVG vor einem Jahr eingerichtet. »Im Ostteil der Stadt arbeiten wir nur an den Stationen, wo es U-Bahnhöfe gibt«, erklärt Ulrich Mohneke, Abteilungsleiter bei der BVG. Seit März dieses Jahres helfen die Mitarbeiter aber auch im S-Bahn-Bereich der Friedrichstraße weiter. »Es ist schon ein Glück für uns, daß wir die Fahrgastbetreuung haben«, gibt Bahnhofsleiter Wolfgang Jeschke zu. Obwohl er sonst keine schwerwiegenden Mängel bei der Beschilderung erkennen kann: »Gemessen am Publikumsverkehr haben wir nicht so viele Beschwerden.« Schließlich sei erst im Mai die Farbsymbolik der S- Bahn-Hinweise der des BVG-Plans angepaßt worden.

Für die übrigen Probleme macht Jeschke die Architektur des 1882 gebauten Bahnhofs verantwortlich, der voller Winkel, Treppen und Säulen steckt. »Eigentlich ist auch nur der Bahnsteig C für den S-Bahn-Verkehr vorgesehen, und wir benutzen jetzt drei Bahnsteige«, erklärt Jeschke. Dies sei vorläufig nicht zu ändern, und etwas Selbständigkeit müsse man von den Fahrgästen auch erwarten: »Der Kunde muß sich eben vorher informieren, wohin er will.«

Warten auf den Bahnhofsneubau

Doch auch der zielstrebige Reisende stößt schon auf Schwierigkeiten, wenn er den Bahnhof betritt. »Kein Eingang« ist das einzige sichtbare Schild, wenn man von der Weidendammer Brücke hereinkommt. »Von der Seite geht sowieso fast keiner in den Bahnhof«, meint dazu Michael Reimer, Hauptgruppenleiter Betrieb des Bahnhofs Friedrichstraße. Dem Informationsmangel an der Nordseite entspricht ein Überangebot auf der Südseite des Bahnhofs. Die Fahrgäste, die von der U-Bahn kommen, blicken gleich auf vier große Schilder, eines für jeden Bahnsteig — obwohl sämtliche Richtungspfeile nach links weisen. Andere Wegweiser sind schlichtweg falsch: Am Ausgang zur Georgenstraße hängt ein Schild »Richtung Friedrichstraße«.

Pläne für eine Neugestaltung der Beschilderungen hat die Reichsbahn im Augenblick nicht. Die Reisenden werden sich also weiterhin durchfragen müssen — bis 1994 zumindest. Dann soll ein grundlegender Umbau des Bahnhofs Friedrichstraße beginnen. Miriam Hoffmeyer