Liebhaber der Vagabunden

Jorge Amado, Brasiliens berühmtester Autor, wird heute 80  ■ Von Astrid Prange

Als ein romantischer sinnlicher Bahiano möchte Jorge Amado eines Tages in die Lexika lateinamerikanischer Literatur eingehen. Für Brasiliens berühmtesten Kommunisten und Schriftsteller, der heute 80 Jahre alt wird, wäre dies ein ziemlich bescheidener Eintrag. Jorge Amado, „Liebhaber der Vagabunden, Prostituierten und der Unterwelt“, wie er in Brasilien genannt wird, ist immerhin der Autor von 30 Romanen, veröffentlicht in 52 Ländern mit einer Gesamtauflage von über acht Millionen Exemplaren. — Bestandteil von Amados schriftstellerischem Erfolg ist, daß er den harten Alltag des brasilianischen Volkes mit Mystik, Nostalgie und Magie zu verklären vermag. „Man braucht Jorge Amado nicht zu mögen. Doch es ist unbestreitbar, daß er mit seinem klaren und anziehenden Stil den Brasilianern das Lesen von Romanen beigebracht hat“, rühmt der Schriftstellerkollege Joao Ubaldo Ribeiro seinen Freund aus dem brasilianischen Bundesstaat Bahia.

Amados Bestseller, „Capitaes de Areia“, „Tocaia Grande“, „Dona Flor und ihre zwei Ehemänner“, „Gabriela, Zimt und Nelken“, wurden von Film und Theater adaptiert. Aber auch auf den Marktplätzen werden Amados Erzählungen verbreitet. Die Bänkelsänger im Nordosten Brasiliens zum Beispiel, wandeln seine Romane in einfache Verse um und tragen sie auf Straßen und Marktplätzen der Bevölkerung vor, die sonst keinen Zugang zu Literatur hat.

Den Stoff für die fiktiven Geschichten verdankt der achtzigjährige Bahiano seiner Beobachtungsgabe. Von Landbesetzern, Fischern, freigelassenen Sklaven, Straßenkindern, Dichtern, und Bänkelsängern handeln seine Romane. „Ich war immer auf der Seite des Volkes“, sagt Amado.

Der 1912 auf einer Kakaofarm in der Nähe von Ilheus im Bundesstaat Bahia geborene Schriftsteller wuchs im angespannten Klima zwischen allmächtigen Großgrundbesitzern und untergebenen Landarbeitern auf. Amado begeisterte sich für den Freiheitskampf der kleinen Leute. Bei Schießereien, im Bordell und in der Unterwelt entdeckte er Ethik und Moral.

Sein autobiographischer Roman von 1984, „Tocaia Grande“ (Großer Hinterhalt), beschreibt den paradiesischen Zustand, in dem die kleine Bevölkerung eines Fleckens im Inneren von Bahia lebte, bevor Staat und Kirche dem Ort ihren Stempel aufdrückten. Der authentische Kampf der Bewohner um „Tocaia Grande“ verwandelte das Dorf in einen Friedhof. „Überschwemmungen und die Pest haben wir überlebt, am Gesetz sind wir zerbrochen“, faßt einer der wenigen Überlebenden die kurze Geschichte des Ortes zusammen.

Fast alle Romane des brasilianischen Autors spielen in seiner Heimat Salvador. Die Hauptstadt des Bundesstaates Bahia, ehemalige Drehscheibe des Sklavenhandels, ist heute ein Zentrum afro-brasilianischer Kultur. Keiner kennt ihre Gassen und geheimen Winkel besser als die Straßenkinder, davon ist Jorge Amado überzeugt. Sein Roman „Capitaes da Areia“ (Herren des Strandes) über die in „Lumpen gekleideten, dreckigen Dichter der Stadt“, die in einem verlassenen Lagerschuppen bei Mondlicht und Kerzenschein Zigarettenstummel aufrauchen, ist heute noch genauso aktuell wie in seinem Erscheinungsjahr 1937.

Das meistgelesene Buch von Jorge Amado (Auflage: zwei Millionen Exemplare) ist eine aufrührerische Hymne auf die Tapferkeit der Stadtstrolche. „Die Revolution ist Heimat und Familie zugleich“, lautet seine abschließende Botschaft. Jorge Amado, der zu Beginn der dreißiger Jahre in die Kommunistische Partei Brasiliens (PCB) eintritt, verwandelt in seinem Werk den Chef der Kinderbande, Pedro Bala, in einen Helden der Arbeiterbewegung.

Kurz nach der Veröffentlichung im Jahr 1937 landen die „Capitaes de Areia“ in Salvador auf dem Scheiterhaufen. Die Zensur zwang Autor Jorge Amado zur Flucht vor dem diktatorischen Regime des brasilianischen Präsidenten Getulio Vargas (1930 — 1945) ins Exil nach Uruguay. Als er 1942 in seine Heimat zurückkehrt, wurde er für kurze Zeit festgenommen.

Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verließ der Schriftsteller den politischen Untergrund und kandidierte 1946 auf Drängen der Kommunistischen Partei für den Landtag des Bundesstaates Sao Paulo. Doch schon zwei Jahre später schickt ihn die Partei aus Angst vor weiteren Verhaftungswellen nach Europa, wo er bis 1952 abwechselnd in Paris und Prag lebt.

Noch heute ist „George Amadou“ in Paris häufiger anzutreffen als in seiner Heimat Bahia. 1983 wurde er dort mit dem Orden der Französischen Ehrenlegion ausgezeichnet. Vom Kommunismus hat Amado sich distanziert, nicht jedoch von den Idealen des Sozialismus: „Ich bin für den Sozialismus mit Demokratie. Wie alle Intellektuellen zu meiner Zeit war ich Stalinist, weil Stalin im Krieg gegen den Nationalsozialismus entscheidend war“, rechtfertigt der achtzigjährige seine politische Vergangenheit.

Auf deutsch sind von Amado u.a. folgende Werke erhältlich:

Die Auswanderer vom Sao Francisco, Peter Hammer Verlag, 330 Seiten, 19,80 DM

Dona Flor und ihre zwei Ehemänner, Piper, 474 Seiten, 18,80 DM

Gabriela wie Zimt und Nelken, Rowohlt, 9,80 DM

Herren des Strandes, Rowohlt, 7,80 DM

Nächte in Bahia, Piper, 442 Seiten, 17,80 DM

Tocaia Grande, Goldmann, 572 Seiten, 16,80 DM

Der gestreifte Kater und die Schwalbe Sinhá, Volk und Welt, 120 Seiten, 28 DM