Triumph der Demokratie

■ Brasiliens Präsident muß wegen Korruption mit einem Absetzungsverfahren rechnen

Triumph der Demokratie Brasiliens Präsident muß wegen Korruption mit einem Absetzungsverfahren rechnen

Traurig, aber wahr: Brasilien muß sich auf ein weiteres verlorenes Jahrzehnt gefaßt machen. Denn egal, ob Präsident Fernando Collor de Mello vorzeitig aus seinem Amt ausscheidet oder bis zum 1. Januar 1995 durchhält, in den nächsten zwei Jahren wird politisch nicht viel in Brasilien passieren.

Für die achtgrößte Industrienation der Welt ist das tragisch. Bereits die 80er Jahre, gekennzeichnet vom Übergang der Militärdiktatur zur Zivilregierung, haben den tropischen Wirtschaftsriesen lahmgelegt. Auslandsschulden und Inflation wuchsen, die Konkurrenzfähigkeit brasilianischer Produkte sank.

Die Hoffnungen, die die Brasilianer bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen seit 25 Jahren am 15. November 1989 in den Newcomer Fernando Collor setzten, waren enorm. Collor verkaufte sich nicht nur als „Jäger der Korrupten“. Der mit 42 Jahren bisher jüngste Präsident der brasilianischen Geschichte galt auch als Symbol für den Aufbruch in die Moderne. Er versprach, die Zollschranken abzubauen, die von der Protektion verwöhnten Unternehmer unter Druck zu setzen, Kartelle zu zerschlagen und die aufgedunsene Verwaltung zu entrümpeln. Knapp drei Jahre später entlarvt eine Parlamentarische Untersuchungskommission den Präsidenten als Inbegriff der Korruption schlechthin. Die Hoffnungen auf den Aufbruch in die Moderne sind weiter denn je in die Ferne gerückt. Die Enttäuschung des irregeführten Volkes ist grenzenlos.

Hoffnungslos ist die Lage Brasiliens dennoch nicht. Die Enthüllungen der Parlamentarischen Untersuchungskommission haben erstmals in der Geschichte des Landes die Mauer des Schweigens durchbrochen, die es der parasitären „Elite“ bisher ermöglichte, ungestraft auf Kosten des Volkes im Luxus zu schwelgen. Zum ersten Mal in der brasilianischen Geschichte gilt gleiches Recht für alle, einschließlich für Präsident Collor. Dies ist ein Triumph der jungen brasilianischen Demokratie.

Der Preis für diese gelungene Feuerprobe demokratischer Institutionen kann nicht hoch genug sein. Die schmerzhafte Selbstreinigung der Nation macht den Weg frei für einen wirklichen Neuanfang. Leider erfordert die erfreuliche Kehrtwende einen langen Atem, denn erst im Herbst 1994 stehen die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an. Wenn die Bevölkerung dann nicht erneut dem „Phänomen Collor“ erliegt, könnte die neue Regierung die verlorene Zeit beim ersehnten Aufbruch in die Moderne wieder wettmachen. Astrid Prange