Bund plant Abriß des Staatsratsgebäudes

■ Ehemaliger Sitz des DDR-Staatsrates am Marx-Engels-Platz soll Bundesinnenministerium weichen/ Gebäude für Büros zu repräsentativ

Mitte. Das Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz wird womöglich abgerissen, um Platz für einen Neubau des Bundesinnenministeriums zu schaffen. Wie der Sprecher des Bauministeriums, Robert Scholl, auf Anfrage bestätigte, sei der Abriß ein Vorschlag von mehreren, die aber noch geprüft werden. Das Ergebnis hänge von dem Raumbedarf der Ministerien ab, der derzeit formuliert werde. Das Innenministerium hat etwa 2.000 MitarbeiterInnen.

Der Grund für die Abrißpläne ist wohl weniger ein politischer denn ein praktischer: Das Staatsratsgebäude mit seinen großen Räumen — durchschnittlich 55 Quadratmeter große Büros, mehrere um die 400 Quadratmeter messende Säle und ein »repräsentatives Arbeitszimmer« mit 180 Quadratmetern — wird für eine normale Büronutzung als wenig geeignet und stark umbaubedürftig eingestuft. Der Staatssekretär der Stadtentwicklungsverwaltung, Wolfgang Branoner (CDU), sagte dazu, derzeit werde die Bausubstanz des Gebäudes untersucht. In einigen Bereichen seien die Standfestigkeit und der Brandschutz nicht gesichert. Solange es keine Entscheidung über den Abriß gebe, wolle er sich auch keine Meinung dazu bilden. Auch die Präsidentin der Bundesbaudirektion, Barbara Jakubeit, wies darauf hin, daß vor dem Abschluß der geplanten Wettbewerbe keine Entscheidung stattfinde.

Das mit roten Fassadenplatten verkleidete, 1964 errichtete Gebäude, in dem der Staatsrat der DDR tagte, wird von dem Eosander-Portal des unter der SED abgerissenen Stadtschlosses geschmückt, von diesem hielt Karl Liebknecht 1918 seine berühmte Rede. Derzeit werden dort Wettbewerbsergebnisse ausgestellt, im Seitenflügel ist die Außenstelle des Bildungsministeriums. Landeskonservator Helmut Engel wollte letztes Jahr das Staatsratsgebäude wie das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz stellen, scheiterte aber an Protesten aus der CDU.

Hintergrund dieses möglichen Abrisses sind generelle Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Land Berlin und dem Bund über die Frage Alt- oder Neubau. Während eine Reihe von Bundesbeamten, wenn sie denn schon aus Bonn wegziehen müssen, doch wenigstens in einen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Neubau wollen, streben die Berliner Behörden relativ einvernehmlich eine Nutzung der Altbausubstanz an, solange das vom Umbau her wirtschaftlich vertretbar ist.

Falls sich das Innenministerium am Marx-Engels-Platz niederläßt, muß — ob Abriß oder nicht — an die vorhandenen Gebäude auf alle Fälle angebaut werden. Allerdings verfügt das Innenministerium über eine Reihe von Bauten in Mitte, in denen heute zum Teil die Gauck-Behörde residiert. Auch das alte Innenministerium an der Mauerstraße, ein Vorkriegsbau, ist als Standort denkbar. »Ein Abriß sollte immer nur die Ultima ratio sein, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgenutzt wurden«, so Peter Kroll, Vertreter des Bundessenators. Eva Schweitzer