Mazowiecki gibt Serben Hauptschuld

Bericht warnt vor Ausweitung der Menschenrechtsverletzungen in Ex-Jugoslawien  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der UNO-Sonderbeauftragte für Ex-Jugoslawien, Tadeusz Mazowiecki, hat Anzeichen für die Ausweitung von Vertreibungen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen über Bosnien-Herzegowina und Kroatien hinaus gesehen. In seinem Bericht an die UNO-Menschenrechtskommission und Generalsekretär Butros Ghali über seine erste Erkundungsmission spricht Mazowiecki von „Beweisen“ für „ethnische Säuberungsmaßnahmen“ in Gebieten Serbiens und Montenegros „mit stark nichtserbischen Bevölkerungsanteilen“. In der nordserbischen Vojvodina hätten die Repressalien gegen Ungarnstämmige, Kroaten und andere ethnische Gruppen „erheblich zugenommen“. Aus dem serbisch kontrollierten Kosovo liegen ihm Berichte vor, wonach albanische Bewohner in wachsendem Ausmaß das Opfer von „Folter und Morden“ werden. Sehr viel eindeutiger als bei seiner Genfer Pressekonferenz am letzten Donnerstag weist der UNO-Beauftragte in seinem schriftlichen Bericht den Serben die Hauptschuld für die „schweren und brutalen“ Menschenrechtsverstöße in Bosnien-Herzegowina zu. Er zitiert ausführliche Zeugenberichte über die „ethnische Säuberung“ des einst mehrheitlich von Moslems bewohnten Ortes Bosanska Dubica. Außerdem schildert der UNO-Sonderbeauftragte, mit welchen „Argumenten“ der Kommandant des serbisch kontrollierten Gefangenenlagers Manjaca bei Banja Luca mit über 3.000 Inhaftierten ihm den Zutritt verweigerte.

Zunächst habe der Kommandant behauptet, die Gefangenen hätten „keine Lust mehr auf den Besuch internationaler Delegationen“. Dann erklärte er — „über eine Stunde vor Sonnenuntergang“ —, für eine Besichtigung des Lagers sei es „bereits zu spät“. Schließlich belehrte der Kommandant den UNO-Emissär, er habe „versäumt, bei der Belgrader Zentrale die Genehmigung für ein Betreten der ,Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina‘ zu erbitten“.

Mazowiecki berichtet auch von Menschenrechtsverletzungen der Kroaten gegenüber der serbischen Minderheit in Kroatien. Diese „Praktiken“ dürften zwar „nicht unterschätzt und verniedlicht werden“. Sie seien jedoch „nicht zu vergleichen mit der von Serben systematisch angewandten Gewalt gegen Moslems und Kroaten in Bosnien- Herzegowina“. Entgegen anderslautenden Beteuerungen würden die bosnischen Serben dabei von der Regierung in Belgrad nach wie vor unterstützt. Mazowiecki empfiehlt, das Mandat der UNO-Truppe Unprofor erheblich zu erweitern, so daß die UNO-Soldaten in ganz Bosnien- Herzegowina präsent sind und jederzeit gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen können. Die Genfer Nachfolgeberatungen der Londoner Jugoslawienkonferenz beginnen am morgigen Donnerstag mit einem Treffen des Leitungsausschusses unter der gemeinsamen Präsidentschaft des UNO-Beauftragten Cyrus Vance und des neuen EG-Vermittlers David Owen. Zu dem Leitungsausschuß gehören die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates sowie die derzeitigen, vormaligen und künftigen Vorsitzländer (Troika) der EG (Großbritannien, Portugal, Dänemark) und der KSZE (CSFR, Deutschland, Schweden). Senegal vertritt die moslemischen Staaten. Als weitere Länder „aus der Nachbarschaft“ des Konfliktgebietes werden Rumänien sowie Italien oder Griechenland teilnehmen.