Landgericht setzt neun Kinder auf die Straße

■ Böckhstraße 26: Da der Hauptmieter Martinswerk gewerblicher Zwischenvermieter ist, müssen die UntermieterInnen ausziehen

Kreuzberg. Seit gestern sind 17 Erwachsene und neun Kinder obdachlos: Das Landgericht Berlin gab der Räumungsklage des Eigentümers der Böckhstraße 26, Georg Kahmann, statt. Der gemeinnützige, kirchennahe Verein Martinswerk hatte das Hinterhaus der Böckhstraße 26 komplett als gewerblicher Zwischenvermieter gemietet und an die einzelnen BewohnerInnen untervermietet.

Bei einem Gewerbemietverhältnis gibt es aber keinen Kündigungsschutz. Deshalb verloren sowohl die UntermieterInnen wie auch das Martinswerk ihren Prozeß gegen Kahmann in der zweiten Instanz. »Wir müssen erst mal bei Freunden unterschlüpfen und später Tausende von Mark für eine neue Wohnung bezahlen«, sagte eine nun ehemalige Bewohnerin gestern auf einer Pressekonferenz.

Einen weiteren Prozeß Kahmanns gegen das Martinswerk auf Schadensersatz hat dieses vor dem Amtsgericht verloren, es wird jedoch in Berufung gehen. Kahmann hatte vor Gericht behauptet, er habe einen anderen Hauptmieter, Herrn Sommer, der statt fünf Mark den Quadratmeter— wie das Martinswerk— zwanzig Mark den Quadratmeter zahlen wolle. Darauf begründet Kahmann eine Schadensersatzforderung von 270.000 Mark. Dies wird womöglich auf die UntermieterInnen abgewälzt, von denen jede schon 18.000 Mark Prozeßkosten tragen muß.

Das Martinswerk hatte sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts berufen. Dieses hatte am Beispiel eines sogenannten Bauherrenmodells geurteilt, daß auch bei einem gewerblichen Zwischenvermieter der Untermieter Kündigungsschutz genießt. Das Berliner Landgericht urteilte nun, daß das Verfassungsgerichtsurteil ausschließlich für dieses Bauherrenmodell gelte und nicht für einen Trägerverein, so Stefanie Meyer, eine Mitarbeiterin des Martinswerks.

Das Urteil hat Konsequenzen, denn allein beim Martinswerk wohnen zirka dreihundert Menschen in sechzig Wohnungen, von denen schon mehrere gekündigt wurden. Viele andere soziale Träger — Jugendwohngemeinschaften, Frauenhäuser — haben eine ähnliche rechtliche Konstruktion. Bei der Böckhstraße kommt noch dazu, daß der Seitenflügel in den Bauakten als Gewerbe registriert ist. Bei einem Wohnhaus könnte das Bezirksamt wenigstens darauf dringen, daß die Wohnungen anschließend zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet werden.

So etwas hat aber nicht immer Erfolg. Kahmann streitet sich mit dem Bezirksamt derzeit um die Nutzung der Yorckstraße 60, die er an den bereits erwähnten Herrn Sommer vermietete. Der nutzte das Haus ohne Genehmigung als Obdachlosenheim. Nachdem das Amt ein Bußgeld verhängte, stehen nun eine Reihe der Wohnungen schlicht leer. »Wir wollen diesen Zustand beenden, aber das dauert«, hieß es beim Kreuzberger Wohnungsamt. esch