Demo in Quedlinburg

■ Massive Polizeipräsenz verhinderte Konfrontation von Rechtsradikalen und GegendemonstrantInnen

Quedlinburg (taz) — „Wir kriegen euch alle!“ — Ein provozierender Schrei aus der Menge der Schaulustigen, dann fliegt eine Tränengasgranate in den Demonstrationszug gegen ausländerfeindliche Gewalt, der in der Nacht zum Sonntag durch Quedlinburg zieht. Ein Stoßtrupp vermummter DemonstrantInnen versucht die UrheberInnen solcher Provokationen zu fassen, bisweilen erfolgreich. Aber immer wieder werden sie von der Demonstrationsleitung in den Zug zurückgeholt. Die gefürchtete Eskalation der Gewalt, die Straßenschlachten zwischen rechtsextremen Jugendlichen und antifaschistischen DemonstrantInnen bleiben in dieser Nacht aus.

Ebenso wie erneute Angriffe auf die AsylbewerberInnenunterkunft. „Das sind zu viele für uns“, sagt ein vielleicht 16jähriger Quedlinburger und läßt dabei offen, ob er die AntifaschistInnen meint oder die Polizei, die in dieser Nacht in einer Stärke vor Ort ist, wie in noch keiner der Nächte zuvor, in denen das Flüchtlingsheim angegriffen wurde. Rund 300 AntifaschistInnen erfordern offenbar grundsätzlich mehr polizeiliche Präsenz als 100 militante Rechte, die von einigen hundert BürgerInnen auch noch angefeuert werden.

Die Flüchtlinge können in dieser Nacht zum ersten Mal auch bei Dunkelheit vor die Tür. Gemeinsam mit PolizistInnen und Mitgliedern einer von Quedlinburger BürgerInnen gebildeten Mahnwache stehen sie vor dem Heim und rauchen Zigaretten. Ein ebenso friedliches wie trügerisches Bild. Denn nur die antifaschistischen DemonstrantInnen und die starke Polizeipräsenz verhindern erneute Angriffe. „Aber wenn die wieder weg sind, geht es hier weiter“, sagt ein Mann mittleren Alters, dem die durchwachten vergangenen Nächte ins Gesicht geschrieben stehen. Er gehört zu den applaudierenden BürgerInnen, die jede Brandflasche auf die Unterkunft mit Beifall begleiteten.

Kurz nach Mitternacht verlassen die letzten DemonstrantInnen Quedlinburg. Aufatmen bei den Sicherheitskräften. Zumindest für diese Nacht. Eberhard Löblich