Stephanskiez: Die Kinderträume der Gebrüder Sass

■ Eine stadtgeschichtliche Ausstellung im und über den Tiergartener Stephanskiez/ Seit der Maueröffnung verändert der Kiez sein Gesicht

Tiergarten. Vor den Kneipen, an den belebten Straßenkreuzungen und vor den Geschäften im Tiergartener Stephanskiez sammeln sich seit letzter Woche immer wieder Menschen vor hölzernen Ausstellungstafeln. Über »Kinderräume — Kinderträume« im Kiez kann man darauf lesen, über Verkehrsbelastung, Sanierung oder die Historie jenes Stadtteils, der früher vor den Toren Berlins lag und als Ausflugsziel stadtmüder Berliner firmierte. Die Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. hat, zusammen mit den Bauhistorikerinnen Christine Becker und Brigitte Jacob, diese Ausstellung in den Kiez zwischen Putlitz-, Quitzow-, Perleberger und Rathenower Straße gebracht.

In den von S.T.E.R.N. betreuten Altbaukiez, früher ein Quartier von Bahnbeamten und Angestellten der nahen Polizeikaserne, zogen in den letzten Jahrzehnten eher Studenten und Ausländer. Die Bausubstanz ist meist marode, hier liegt etwa das seit zwanzig Jahre leerstehende Haus Strom-/ Ecke Birkenstraße der Firma Franke. Seit einem Jahr ist der Stephanskiez das vorerst einzige Gebiet in Berlin, in dem eine sogenannte Erhaltungssatzung gilt. Alle Bauanträge, die zu Mieterhöhungen und damit zu Mietervertreibung führen, müssen vom Bezirksamt geprüft und eventuell abgelehnt werden. Das ist auch nötig: Der Kiez wurde seit der Maueröffnung überzogen von einer Welle teurer Privatmodernisierung und Dachgeschoßausbauten, viele kleine Läden konnten sich wegen Mieterhöhungen nicht mehr halten. Was aus dem Kiez wird, steht in den Sternen: Die öffentlichen Mittel für die kostendämpfende Sanierung fließen zumeist nach Ost-Berlin. Die Probleme, so Ulli Lautenschläger von S.T.E.R.N., betreffen aber nicht nur die Häuser: »Mehrere Kindertagesstätten, Grundschulen und Spielplätze fehlen, die Kinder haben im Kiez keinen Platz mehr, auch weil alles vom Verkehr überrollt wird«, meint er. Neben solchen ernsten Dingen beschäftigt sich die Ausstellung aber auch mit eher amüsanten Facetten der Geschichte des Kiezes, etwa den Gebrüdern Sass, die in den zwanziger Jahren dort wohnten und Schlagzeilen machten, weil sie mehrere große Banken in Berlin und Kopenhagen ausraubten. esch

Die Ausstellung läuft noch im Kiez und in der Bruno-Lösche-Bücherei in der Perleberger Straße bis zum 23. Oktober. Dort gibt es auch einen Katalog. Anregungen sind erwünscht.