■ Zu einer kleinen, harmlosen Expertenfeier in Peenemünde
: Furchtbare Technologen?

Eine reine „Fachveranstaltung“ soll es nun doch noch werden, die kleine Feier unserer Peenemünder Technik-Veteranen: Der deutsche Ingenieur als Raumfahrtpionier, als Träger von Spitzenleistungen überhaupt. Ganz unpolitisch natürlich: Man bastelte an spannenden Projekten, gestern wie heute. Daß der eigentliche Zweck, nämlich Massenvernichtungswaffen, daß die äußeren Umstände — also Naziterror und Einsatz von KZ-Häftlingen — das Bild trüben könnten, war nicht eingeplant: Rein fachlich war das nebensächlich. Wie Albert Speer es formuliert hat: Der Anblick der leidenden KZ-Häftlinge in seiner Rüstungsindustrie beeinflußte zwar seine Empfindungen, aber im Bereich der Entscheidungen „herrschten weiterhin die Prinzipien der Zweckmäßigkeit“.

Diese Sorte von Zweckmäßigkeit, diese Definition des Fachlich-Sachlichen, welche Gefühle und Skrupel nicht in die Berechnungsgrundlagen einschließt, war damals und ist heute unser Problem: Das Politische im „Unpolitischen“, das Funktionieren von Menschen und Maschinen an sich.

So „zweckmäßig“, wie damals der Terror in den Peenemünder Stollen zur technologischen Spitzenleistung führte, so zweckmäßig ist es heute, in den Industrienationen weiter auf eine Technik zu setzen, die absehbar zu weiteren Katastrophen führt und, global gesehen und angewandt, schon heute den Planeten ruinieren würde. Aber auch heute beeinflussen die Bilder leidender Menschen zwar die Empfindungen, aber nicht die Entscheidungen über Technologien.

Es ist allerdings zu vermelden, daß viele Techniker umdenken: In den großen Schlüsselindustrien Deutschlands wachsen die Zweifel an der „Zweckmäßigkeit“ bisheriger Technikpfade. Möglichkeiten anderer Technologien oder des Technologieverzichts werden diskutiert; unsere Hochschulangehörigen und selbst der VDI fordern ökologische und humane Gestaltungskriterien in den „harten“ Technikfächern. Im vergangenen Jahr beschloß der Akademische Senat der Technischen Universität Berlin, Rüstungsforschung an dieser Universität auch künftig zu verhindern. Vielleicht also sind die Protagonisten, deren fachliches Selbstverständnis sich immer noch in den Speerschen „Zweckmäßigkeiten“ erschöpft, eher auf dem absteigenden Ast. Eine demokratisierte Technikentwicklung könnte auf die Mitarbeit vieler Ingenieure zählen, die morgen nicht von ihren Kindern gefragt werden wollen, was sie für furchtbare Technologen waren. Wolfgang Neef

Der Autor ist Ingenieur und Soziologe an der TU Berlin.