Guatemala, kein ewiger Frühling für die Indios

■ Von Demokratie wird in dem mittelamerikanischen Staat viel geredet. Der Alltag für die Ureinwohner jedoch ist von Apartheid und Terror geprägt

Das Land des ewigen Frühlings wird Guatemala gern von enthusiastischen Reiseveranstaltern genannt, die die Touristen in einer einwöchigen Rundreise mit den alten und den neuen Geheimnissen der indianischen Kultur in Berührung bringen: in der Tempelstadt des Maya-Imperiums von Tikal im Peten-Urwald, in der kolonialen Alt-Hauptstadt Antigua und schließlich am malerischen Atitlan-See, wo die Trachten der Tzutujil-Indios vor dem Hintergrund der Vulkane das ideale Motiv für den Hobbyfotografen abgeben. Die andere, die unterschlagene Seite Guatemalas jedoch ist die der alltäglichen politischen Gewalt, die auch sieben Jahre, nachdem die Militärdiktatur von gewählten Regierungen abgelöst wurde, jeden demokratischen Fortschritt verhindert. Vor wenigen Tagen detonierte ein Sprengsatz vor dem Büro der Gruppe von Angehörigen der Verschwundenen (GAM), die sich bisher erfolglos um die Aufklärung des Schicksals der über 60.000 verschleppten Guatemalteken bemüht. Wer für die Anschläge und den Großteil der politisch motivierten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, weiß man: radikale Gruppen innerhalb der Armee, die Zugang zu den Archiven des militärischen Geheimdienstes G-2 haben. Dieselben, die sich einem Abkommen mit der Guerillafront URNG widersetzen, das den seit 30 Jahren geführten militärischen Konflikt beenden soll.

Der Militarismus ist in Guatemala ebenso tief verwurzelt wie die Apartheid gegenüber der indianischen Bevölkerungsmehrheit. „Indio“ ist noch immer ein Schimpfwort, in der Sprache der Mestizen ein Synonym für Trottel oder Tolpatsch. Der soziale Aufstieg für einen „Indio“ führt über die Angleichung, das möglichst akzentfreie Erlernen der Sprache der Eroberer, das Ablegen der traditionellen Kleidung, das Verleugnen der eigenen Kultur. Wer einmal ausgestiegen ist, der oder die verbaut sich selbst die Rückkehr in die Dorfgemeinschaft, verliert seine oder ihre Identität und Wurzeln, ohne in der anderen Welt für voll genommen zu werden. Ähnlich wie die weißen Südafrikaner die Machtübernahme der Schwarzen fürchten, leben die weißen und mestizischen Guatemalteken in beständiger Angst vor der Rache der unterdrückten Mehrheit. Das erklärt auch, warum jede harmlose Demonstration von indianischen Bauern brutal von der Polizei zerschlagen wird.

So zuletzt vor wenigen Wochen ein Marsch, mit dem eine Gemeinde die Anerkennung eines zu Beginn des Jahrhunderts verbrieften Anspruches auf ein Stück Land durchsetzen wollte, das von betrügerischen Großgrundbesitzern usurpiert wurde.

Präsident Jorge Serrano Elias spricht viel von Demokratie und beteuert, daß die Menschenrechte in Guatemala nie so strikt respektiert wurden wie unter seiner Regierung. Die Statistiken der Menschenrechtsgruppen und der katholischen Kirche zeigen ein anderes Bild. Noch immer wird fast eine Million indianischer Bauern von der Armee in sogenannten Selbstverteidigungskomitees organisiert, die unbezahlte Frondienste leisten, den Militärs als Vorhut für heikle Operationen dienen und der Bespitzelung der Dorfgemeinschaft dienen. Vor wenigen Wochen bestätigte der stellvertretende Menschenrechts- Ombudsmann, Guadamuz, Berichte über Bombenangriffe der Armee auf die sogenannten Gemeinden im Widerstand. In den unzugänglichen Berggebieten des Quiché sammelten sich vor zehn Jahren Flüchtlinge, deren Dörfer von der Armee niedergebrannt wurden. Abgeschnitten von der Zivilisation fristen sie ein Subsistenzdasein, das immer wieder von Militärs bedroht wird.

Die jüngste Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchu setzt sich seit langem dafür ein, das diese seit Jahren verfolgten Opfer der Gewalt endlich als Zivilbevölkerung anerkannt werden.