Politische Themen auf gestrengem Parkett

■ Die Tanzgruppe vom RW Düsseldorf überraschte bei den Deutschen Meisterschaften mit einer Choreographie gegen Ausländerhetze und Rassenhaß

Stuttgart (taz) – Eine romantische Rumba, ein schwarzer Engel, plötzlich Randale und dann wieder Rumba – ein aufsehenerregender Versuch von TanzsportlerInnen, ein Thema aufs Parkett zu bringen, das auf der Straße liegt und ihnen auf den Nägeln brennt: Mit einer Choreographie gegen Ausländerhaß überraschte die Lateinformation des TD Rot-Weiß Düsseldorf bei der Deutschen Meisterschaft im Formationstanz am Samstag in Stuttgart.

Damit betraten die Düsseldorfer völliges Neuland. Das Erzählen von Geschichten, die musikalische und choreographische Einheit haben sich seit einigen Jahren im deutschen Formationstanz durchgesetzt: eine aktuelle politische Aussage jedoch hat bislang noch niemand gewagt. Trainer Oliver Wessel-Therhorn hatte ursprünglich nur das Thema „Black and White“ im Sinn, doch spätestens nach „Rostock“ wurde mehr daraus. „Ich bin oft genug im Ausland und werde dort gut behandelt. Ich sehe nicht ein, daß Ausländer bei uns nicht gut behandelt werden“, erklärt der Trainer seine persönlichen Motive für die Choreographie.

In der tänzerischen Umsetzung waren Wessel-Therhorn, der selbst sowohl in einer Formation als auch als Paartänzer Weltmeistertitel gesammelt hat, enge Grenzen gesetzt. In der Musikauswahl konnte sein Team jedoch die Ideen transportieren: „Imagine“ von John Lennon, dem Opfer einer Gewalttat, der „Schwarze Engel“ von Alexandra, die aggressive Musik von Michael Jackson, die den Hintergrund für das inhaltliche Kernstück bot: eine gespielte Kampfszene, von der sich die anderen DarstellerInnen auf der Fläche abwandten, zum Schluß die Vision, „Heal the World“ und „We are the Children“ – so könnte es sein.

Die Düsseldorfer TänzerInnen haben Mut mit ihrer Choreographie bewiesen, mit der sie den dritten Platz auf der Deutschen Meisterschaft erreichten. Sie tun aber noch einiges mehr: Der gesamte Club hat eine Initiative „Tanzsportler gegen Ausländerhaß“ gestartet – obwohl naturgemäß die Hälfte aller Tanzpaare weiblich ist, hat dieser Umstand sprachlich noch keinen Niederschlag gefunden.

Der Aufruf der Düsseldorfer wird von allen namhaften deutschen Amateur- und Professionalpaaren unterstützt, die Initiatoren selbst sind bei jeder sich bietenden tänzerischen Gelegenheit mit einem Info- und Verkaufsstand vertreten. Der Erlös der Aktivitäten geht an das Friedensdorf Oberhausen, das den ersten Scheck über 2.500 Mark bereits erhalten hat. Ein einflußreicher Beamter des nordrhein-westfälischen Innenministeriums erfuhr von den Aktivitäten und sorgte dafür, daß auch das Land einen Beitrag leistet: Die Standard- und die Lateinformation des Clubs wurden mit Trainingsanzügen ausgestattet, auf denen das Bundesland als Sportland für sich selbst und der Club für seine Aktion gegen Ausländerhaß wirbt.

Daß der TD Rot-Weiß Düsseldorf seine aufrüttelnde Choreographie nicht auf der Weltmeisterschaft am 14. November in Wien zeigen kann, liegt nicht am Thema, sondern an der hohen Leistungsdichte im deutschen Formationstanz. Nur der Deutsche Meister und der Spitzenreiter der Bundesliga sind qualifiziert für Welt- und Europameisterschaften, auf denen die ersten beiden Plätze seit 20 Jahren an deutsche Teams gehen. kai