Politische Quarantäne für die PDS-Fraktion

■ Fraktionen des Abgeordnetenhauses kündigen Zusammenarbeit wegen mangelnder Stasi-Aufarbeitung auf

Berlin. Das hatte das Abgeordnetenhaus noch nicht erlebt: Die CDU spendete der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Grüne, Renate Künast, anhaltenden Beifall. Anlaß zu soviel Zustimmung von ungewohnter Seite bot die Strafpredigt, die Künast in der gestrigen Plenardebatte der PDS hielt. Sie kündigte deren Fraktion „das Ende der Kollegialität in der Opposition“ an. Anlaß dieses harschen Schrittes war die Weigerung der PDS-Fraktion, zwei ihrer Mitglieder aus ihren Reihen auszuschließen, die früher für das MfS gearbeitet haben. Den Abgeordneten Wolfgang Girnus und Dagmar Pohle war deshalb im Sommer vom Ehrenrat die Niederlegung ihres Mandates empfohlen worden. Girnus soll jahrelang für die Hauptabteilung Aufklärung der Staatssicherheit gearbeitet und Pohle eine konspirative Wohnung betreut haben. Das Abgeordnetenhaus hatte eigens eine aktuelle Stunde einberufen, um sich mit dieser Mißachtung des Ehrenratsbeschlusses auseinanderzusetzen.

Künast war vor allem erbost über das Verhalten der PDS, weil das Verfahren zur Überprüfung der Abgeordneten aufgrund eines gemeinsamen Antrags der drei Oppositionsparteien beschlossen worden war. Die Fraktionsvorsitzende der PDS, Gesine Lötzsch, habe dem damals zugestimmt. Die Beschlüsse des Ehrenrates haben in Künasts Augen eindeutig Bestandskraft, wenn die PDS sich nun nicht daran halte, schade sie der parlamentarischen Opposition.

Diejenigen, an die diese Vorwürfe gerichtet waren, schwiegen gestern. Lötzsch war nicht zur Plenardebatte erschienen, weil sie, wie es hieß, erkrankt sei. Statt ihrer redete Marion Seelig von der Vereinigten Linken. Seelig hatte zusammen mit ihren Kollegen Harald Wolf und Steffen Zillich bereits am Dienstag ihre Mitarbeit in der Fraktion der PDS eingestellt, bis die Partei eine eindeutige Position zur Vergangenheitsaufarbeitung gefunden habe. Wie Seelig vor dem Plenum erklärte, sei der jüngste Skandal um die Stasi-Enthüllungen des zurückgetretenen Landesvorsitzenden André Brie ein „erneuter Höhepunkt in einer Kette von Unerträglichkeiten, die es schwermachen, an die Erneuerung der Partei zu glauben“. Trotzdem sei die Debatte von unerträglicher Heuchelei geprägt, da ausschließlich die PDS und nicht die Blockparteien am Pranger stünden. Die Bürgerrechtlerin hielt sich zugute, daß durch ihren moralischen Druck eine Auseinandersetzung mit der Stasi-Vergangenheit bei der PDS in Gang gekommen sei. Der Bürgerrechtler Reinhard Schult vom Neuen Forum hielt ihr daraufhin entgegen, daß es eine Illusion sei, „zu hoffen, daß man Leuten, die an der Vergangenheit kleben, eine politische Zukunft geben kann“. Auch Vertreter der übrigen Parteien kündigten die parlamentarische Zusammenarbeit mit der PDS auf.

Aus der noch 21 Mitglieder zählenden PDS-Fraktion sind in den letzten Monaten drei Abgeordnete wegen Stasi-Mitarbeit ausgeschlossen worden, drei weitere müssen sich aus diesem Grund noch vor einem Untersuchungsausschuß verantworten. Der Abgeordnete Dornberger hat die Fraktion aus Protest gegen die mangelhafte Stasi-Aufarbeitung am Dienstag verlassen. Dieter Rulff