Schon wieder: Magic hört auf

Vier Tage vor Saisonbeginn in der US-Basketball-Liga NBA erklärte der HIV-infizierte Magic Johnson seinen endgültigen Rücktritt  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Der Traum der Lakers-Anhänger dauerte nur vier Wochen. Vor einem Monat hatte der mit dem HIV-Virus infizierte Basketball-Superstar Earvin „Magic“ Johnson erklärt, daß er wieder für sein altes Team, die Los Angeles Lakers, spielen werde, und damit helle Begeisterung bei den Basketball-Fans im ganzen Land hervorgerufen. Doch vier Tage vor Beginn der Saison in der National Basketball Association (NBA) revidierte er nun seine Entscheidung und stürzte seinen Klub und dessen Anhänger in tiefe Depressionen. „Warum nur, warum“, stammelte ein entsetzter Fan vor dem Lakers-Forum in Inglewood, und auch Lakers-Edelgroupie Jack Nicholson muß sich nun überlegen, ob er die frischgeschossenen Fotos, die ihn gemeinsam mit Magic zeigen, wieder aus dem Verkehr ziehen läßt. Genau dies nämlich hatte er getan, als die HIV-Infektion Johnsons bekannt geworden war und dieser am 7.Novmber 1991 zum erstenmal seinen Rücktritt erklärt hatte.

Enttäuschung gab es auch bei den Medizinern, die sich von dem Experiment mit dem Hochleistungssportler Magic Johnson wichtige Erkenntnisse erhofft hatten. „Es ist klar, daß ich ein Versuchskaninchen bin“, hatte Magic kürzlich gutgelaunt erklärt, „aber das ist etwas, das ich akzeptiere.“

Nicht akzeptieren konnte er jedoch, daß sich in den letzten Tagen und Wochen Stimmen häuften, die sich offen oder versteckt gegen seine Rückkehr aufs Spielfeld aussprachen. Obwohl Mediziner immer wieder versichert hatten, daß die Ansteckungsgefahr beim Basketballspiel gleich Null sei, war die Aids-Angst vieler Akteure nicht zu bannen.

„Er ist eine Gefahr für uns alle“, sagte Gerald Wilkins von den Cleveland Cavaliers, „aber es geht um Magic Johnson, drum behandeln die Leute die Angelegenheit mit weißen Handschuhen.“ Karl Malone, Johnsons Dream-Team-Genosse von Barcelona, meinte: „Jeder hat Angst.“ Wiederholt wurde Johnson aufgefordert, endlich zu erklären, wo er sich den Virus geholt habe, es gab Gerüchte, die ihn als bisexuell bezeichneten. Johnson beschuldigte einen Spieler, diese Gerüchte zu fördern. Er nannte keinen Namen, aber alles deutete auf Isiah Thomas von den Detroit Pistons hin. „Dieser Spieler war mein Freund“, sagte Magic, „aber er ist es nicht mehr. Wenn mich jemand einmal verrät, ist alles aus.“ Die Angriffe zehrten offenbar an den Nerven des 33jährigen mit der legendären Nummer 32. In den fünf Vorbereitungsspielen, die er bestritt, brachte der 2,03 Meter große Magic nicht seine gewohnte Leistung und erreichte im Durchschnitt lediglich 10,4 Punkte (Karrieremittel: 19,7). Am letzten Freitag landeten von zehn Feldversuchen nur einer im Korb. Trotzdem war Johnson zu diesem Zeitpunkt noch fest zum Comeback entschlossen. Er und die Lakers seien bereit für die kommende Saison, betonte er und kündigte an, sogar mehr Partien, als ursprünglich vorgesehen, bestreiten zu wollen.

Um so überraschender der plötzliche Meinungsumschwung. „Es ist offensichtlich geworden“, begründete Magic seinen Entschluß, „daß die Kontroversen, die meine Rückkehr umgeben, sowohl dem Basketball schaden als auch dem Thema des Lebens mit dem HIV-Virus, das für mich und die davon betroffenen Menschen viel wichtiger ist.“ Spekulationen, der neuerliche Rücktritt hänge mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zusammen, wiesen die Ärzte des Sportlers zurück. Seine medizinische Verfassung habe sich seit seiner Ankündigung, wieder zu spielen, nicht verändert. „Es hat nichts mit einem Rat seines Arztes zu tun“, sagte Lakers-Doktor Michael Mellmann, „es ist eine Lebensstil- Entscheidung.“

In Zukunft will sich Magic Johnson wieder mehr der Aids-Bekämpfung widmen, nachdem er vor einem Monat aus der „Nationalen Aids-Kommission“ von George Bush ausgestiegen war und den Präsidenten heftig wegen der Obstruktionspolitik seiner Administration kritisiert hatte. Im Wahlkampf engagierte sich der Sportstar für Bill Clinton und kündigte an, daß er, wenn dieser zum Präsidenten gewählt werde, bereit sei, in die Kommission zurückzukehren. „Ich fühle, daß es wichtiger ist, meine Zeit mit der Familie und mit der Arbeit in HIV- und Aids-Projekten zu verbringen, als in der anstrengenden und zeitraubenden Welt der NBA.“

„Ich bin sicher, die NBA ist erleichtert“, sagte Karl Malone, doch er dürfte mit dieser Meinung weitgehend allein stehen. Nach dem Rückzug des rückenleidenden Larry Bird ist der definitive Abgang von Magic Johnson binnen kurzem der zweite schwere Verlust der Liga, die mit den anderen großen US-Sportarten Baseball, American Football und Eishockey in einem harten Konkurrenzkampf um Popularität und Einschaltquoten steht. Die Ära der großen Charismatiker im amerikanischen Basketball, die wie Julius „Dr.J“ Erving, Kareem Abdul-Jabbar, Larry Bird und Magic Johnson für Moral und persönliche Integrität standen, ist endgültig vorbei. Es bleiben junge, coole, smarte, zur Skrupellosigkeit tendierende Geschäftsleute wie Michael Jordan, Pat Ewing, Charles Barkley oder Shaquille O'Neal, der neue Stern auf der Center-Position. „Das Leben muß weitergehen“, sagte ein sichtlich deprimierter Jordan, „andere müssen jetzt versuchen, die Lücke von Magic zu schließen.“