Somnamboulevard – Wortuelle Realität III Von Micky Remann

Heute wird hier wieder mal der neometaphorische Salon gegeben. „Comment ca va?“ Fragt die Dame im Nachthemd bei Kerzenschein und Geigenmusik.

„Ca va comme chien – Mir geht's wie Hund.“ Antwortet ihr Gesprächspartner mit heruntergezogenen Mundwinkeln im Polstersessel. Sie läßt nicht locker. „Where do you come from?“

„Birnenrepublik Deutschland“

„Pera repubblika tedesca?“

„Si si.“

„So so.“

„What's there loose?“

„Ein claro caso von pantalon mort – jedenfalls im Wachzustand.“ Grummelt er. Die Dame ist entzückt: „Oui, oui, le tote Hose, dead pants, tschechisch: mrtvy halhoty, walisisch: difywyd dychlamu, lettisch: nelaikas bikses, ungarisch: hallot nadrag, norwegisch: dod bukse. Dann lassen Sie uns wenigstens im Traum die Nacht um die Ohren schlagen.“ „Yes, let's beat the night around the ears, Verehrteste, solange unser Gebrabbel unter der Bettdecke noch Dudenneuheit ist, weil morgen früh ist es bereits ein alter chapeau, sombrero viejo!“

Sie fassen sich zärtlich bei den Ohren, einig, daß sprachsomnambule Verbindungen sich ausdehnen wie das Telefonnetz und darum so eng wie englisch zusammenrücken sollten im System kommunizierender Wortröhren.

Mag es orthodoxen Linguisten angesichts des Dreamspeak-Kauderwelsch (oder -welsches?) eiskalt den Rücken runterlaufen, kaum schlafen sie, schelten sie nicht mehr, sondern welschen selber kauder, wie wir hier deutlich sehen, und nehmen teil an der Völkerwortwanderung, am Staffellauf der Vokabelhefte, wo hinter der Ziellinie ein Spontanesperanto des multilingualen monologue interieur herauskommt, eine self-fulfilling prophecy ohne Propheten, die lingua franca der träumenden Babyboom-(Säuglings Hausse)-Generation im grenzüberschreitenden Verbalverkehr.

Im Schlaf kehren der Sprachbauer und die Sprachbäuerin dahin zurück, wo sie hingehören, an die Turmbaustelle von Babel und babbeln until all beams bend, bis sich alle Balken biegen, ohne zu brechen. Denn wenn der Vorgang auch einem Durcheinander wie Kraut und Rüben – minestrone come krauti e rappe – ähnelt, ist das Ergebnis doch ein voice-aktiver Sprachpalast mit tragfähiger Grammatik. „Obwohl krauti and the krauts“, wirft die Dame ein, „das klingt so archaisch-archivarisch wie ,Achtung, Fritz!‘, ,Donner und Blitzen‘ oder ,Pumpernickel‘, also fast wie Deutsch aus dem Großen Latinum.“ „Aber Verehrteste“, ergänzt der Salonherr, indem er weiter ihr Ohr massiert, „eine löbliche Sitte gebietet uns, über die Toten nichts Übles zu reden, de mortuis nihil nisi bene, zu deutsch: Den Toten soll man nicht auf die Beene niesen, wie es Kurt Schwitters aus Hannover, Lower Saxony (das tiefe Saxophon), übersetzt und damit der indoeuropäischen Familienzusammenführung den allerletzten Sprachhorizont eröffnet hat. Tatsächlich wurde seitdem keinem einzigen Verstorbenen mehr auf die Beene geniest, erst recht nicht genossen, und alle feuille- teutonischen Vorbehalte gegen die interlinguistische Ökumene wurden ein für allemal zum Schweigen verurteilt.“ „Oh ja“, sagt die Frau und gähnt metakonzeptionell „zum Schweigen“.