Weder Tarzan noch Stein

Der Finne Kari Laukkanen über seine Rolle als Torhüter, über Aki Kaurismäki und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Mannheim (taz) – Der heutige 14.November ist ein besonderer Tag für den 28 Jahre alten Finnen Kari Laukkanen, Torwart bei Waldhof Mannheim. Er steht für die finnische Fußballnationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen Frankreich im Pariser Prinzenparkstadion zwischen den Pfosten. Zuletzt tat er dies vor einigen Wochen gegen Schweden (0:1). „Das war das beste Länderspiel, das wir in den letzten fünf Jahren gemacht haben“, schwärmt der ansonsten eher reservierte und leise Fußballer. Nur durch einen Elfmeter glückte den Blau-Gelben der Sieg.

Nach Mannheim kam Laukkanen vor zwei Jahren, war zuvor in Finnland für Kuopio PS, den belgischen CS Brügge und die Stuttgarter Kickers aktiv. Günter Sebert hat ihn auf den Waldhof geholt und dann neun Monate auf der Bank sitzen lassen. „Ich freu' mich, daß er wieder was gefunden hat“, trägt der Finne dem jetzigen Trainer von Hertha BSC Berlin nichts nach, ohne die Dinge schönzureden: „Bei Klaus Toppmöller macht das doch irgendwie mehr Spaß, auch weil wir offensiver spielen.“

Der Torwart des SV Waldhof ist abseits der Tarzans (Ehrmann) und Tonis (Schumacher), der Ulis (Stein) und Bodos (Illgner) ein zurückhaltender Mensch. Er hat auch kein „Rad ab“ oder ist sonstwie daneben, wie es den Torhütern gern nachgesagt wird. Für ihn ist der Fußball sein Job, und sonst hat er viele andere Interessen.

Sorgen macht er sich um Entwicklungen in Deutschland, wie sie im Mai auch in Mannheim-Schönau, in unmittelbarer Nachbarschaft des Waldhofs, zu beobachten waren – Manifestationen gegen ein Asylbewerberheim: „Ich verstehe, was in der ehemaligen DDR los ist. Die Arbeitslosigkeit, die Leute haben kein Geld. Aber was die gegen die Asylbewerber machen, verstehe ich nicht. Was können die Asylbewerber dafür, viele haben in ihrer Heimat Krieg und wollen etwas Neues finden.“

Selbst hat der Skandinavier, unter Mannheims Ausländern eher ein Exot, noch keine Ablehnung gespürt, fühlt aber mit seinem schwarzen Kollegen Richie Naawu aus Ghana, dessen Hautfarbe oft Anlaß für rassistische Sprüche ist. „Man kann das hören, was da draußen los ist, wenn man spielt.“ Laukkanen sieht auch den anderen Kulturkreis als Grund für die verweigerte Integration des Afrikaners an. „In Deutschland mußt du leben wie die Deutschen, du mußt dich anpassen.“ Zwischen Deutschen und Finnen sieht Laukkanen allerdings kaum Unterschiede in der Mentalität. „Für mich ist Finnland nicht so weit, aber es ist weit von daheim“, sagt er.

Einer, der das finnische Leben filmisch abbildet, der Regisseur Aki Kaurismäki, hat es Kari angetan. „Die Filme, die er macht, sind sehr gut. Er stellt das Leben in Finnland so dar, wie es ist, die Arbeitslosigkeit oben in Lappland, wo die Leute nichts haben. Die Filme sind in Finnland eigentlich nichts, aber hier... Er ist in Deutschland bekannter als zu Hause.“

Ursprünglich hatte Laukkanen vor, etwa fünf Jahre im Ausland zu spielen und dann wieder zurück nach Finnland zu gehen. „In Finnland ist sehr viel Platz, es gibt noch eine relativ saubere Natur, die mir hier fehlt. In Finnland steht man aber irgendwie ein bißchen allein, es sind nur fünf Millionen Menschen, und von denen lebt ein Fünftel in Helsinki.“

Die Einsamkeit ist für ihn ein großes Problem. Laukkanen pflichtet Mika Kaurismäki („Zombie and the Ghost Train“) bei, der die Finnen als „Träumer“ bezeichnet, von Melancholie spricht und die Bedeutung des Tangos hervorhebt. „Für die älteren Leute ist das mit dem Tango und dem Trinken vielleicht wirklich so. In den kleineren Dörfern sitzen sie in den Kneipen und trinken...“

Kari Laukkanen und seine Frau wohnen nur 200 Meter vom Mannheimer Eisstadion entfernt, wo der finnische Nationalsport Eishockey ausgeübt wird. Als Kind ist auch er dem Puck hinterhergejagt. Ob es Sehnsucht nach Finnland sei, der gelegentliche Besuch beim MERC? „Nein, aber ich freue mich schon, daß da so was ist, was ich von früher kenne.“

Die Verbundenheit zu Finnland zeigt Kari auch als aktives Mitglied der „Deutsch-Finnischen-Gesellschaft“ (DFG). Hier ist er mal bei einer Weihnachtsfeier oder einem Mittsommernachtsfest dabei, gibt Autogrammstunden oder ein Torwarttraining für die Kleinen. Lena Wieland von der DFG kennt Kari als ruhigen, normalen Menschen, der nicht herausgehoben werden will. Gegen ein Herausheben und Herausragen in sportlicher Hinsicht hätte der blonde Keeper aber nichts einzuwenden. Den Aufstieg in die Bundesliga mit dem SV Waldhof beispielsweise. Und natürlich ein Sieg mit Finnland heute gegen die Franzosen.