Zurück zur Demokratie?

■ Perus Staatschef sucht neue Legitimation

Wenn am Sonntag in Peru gewählt worden ist, interessiert vor allem eine Zahl: Wie viele haben überhaupt mitgemacht? Alle traditionellen Parteien Perus boykottieren die Veranstaltung, weil ihrer Einschätzung nach das Ergebnis bereits vorher feststeht. Staatschef Fujimori, so die Opposition, will sich mit allen Tricks wieder den Anschein einer legalen Regierung verschaffen, nachdem er im April dieses Jahres in einem Staatsstreich von oben kurzerhand das Parlament auflöste und seitdem per Dekret regiert.

Tatsächlich wird die jetzt zu wählende Verfassunggebende Versammlung (CCD) von Anfang an nur beschränkte Souveränität genießen: So darf sie zum Beispiel die Spielregeln, die sie schaffen soll, nicht selbst anwenden, sondern muß bis zum Ende von Fujimoris Amtsperiode 1995 mit der Ausschreibung von Neuwahlen warten. Die bereits ergangenen verfassungswidrigen Akte der Regierung dürfen nicht angetastet werden, und die Abgeordneten genießen noch nicht einmal Immunität.

Außerdem werfen die Parteien Fujimori vor, den gesamten Wahlprozeß zu manipulieren. Die den Präsidenten unterstützende Liste „Neue Mehrheit“, die in Allianz mit Fujimoris Wahlkoalition „Cambio 90“ antritt, wurde eingeschrieben, obwohl sie juristisch noch gar nicht existent war, während eine Oppositionsgruppierung mit ebendiesem Argument abgewiesen wurde. Die für die Registrierung erforderlichen 100.000 Unterschriften für die „Neue Mehrheit“ sammelten die Militärs unter ihren Familienangehörigen ein, obwohl die Armee laut Verfassung zur Neutralität verpflichtet und sogar von der Stimmabgabe ausgeschlossen ist.

Bei seinem verzweifelten Versuch, die absolute Mehrheit im Verfassunggebenden Kongreß zu erobern, verzichtet Fujimori auf subtile Methoden: sein Spitzenkandidat, der ehemalige Industrieminister Jaime Yoshiyama, wird in regierungseigenen Fahrzeugen zu den Wahlveranstaltungen transportiert und begleitet den Staatschef, wenn dieser in den Armenvierteln Kleidung und Lebensmittel unter das Volk streut.

In den entscheidenden Punkten hat Fujimori die Verfassung durch Exekutivdekrete längst umgeschrieben und seinem neoliberalen Polizeistaat angepaßt: die Agrarreform wurde unterhöhlt, das Recht auf Arbeitsplatzsicherheit und die Mitbestimmung in Betrieben abgeschafft, das Erziehungswesen und die Sozialversicherung sollen nach und nach privatisiert werden, den Sicherheitskräften wird bei der Terrorbekämpfung völlig freie Hand gegeben, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Garantien auf einen fairen Prozeß wurden außer Kraft gesetzt. Jeder Anwalt darf gleichzeitig nicht mehr als einen des Terrorismus verdächtigen Angeklagten verteidigen. Wenn bei größeren Razzien mehrere hundert Verdächtige festgenommen werden, müssen die meisten Monate warten, bis sie vor Gericht gestellt werden. Der Prozeß findet dann vor Richtern „ohne Gesicht“ statt: Richter und Staatsanwälte befinden sich hinter einer polarisierten Scheibe und sprechen durch Mikrophone, die ihre Stimmen entstellen. Im Prozeß gegen den Sendero-Chef Abimael Guzman mußte sogar der Anwalt sein Plädoyer mit verbundenen Augen halten.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Fujimori nach seinem Staatsstreich noch mit Sanktionen drohte, entschloß sich nach Meinung der Opposition zur schlechtesten aller Möglichkeiten. Sie schickt Beobachter und drückt damit der Veranstaltung den Stempel der Legitimität auf, doch sie entsendet nicht genug Leute, um eine ernsthafte Überwachung zu gewährleisten: mehr als 58.000 Wahllokalen stehen nicht mehr als 250 Beobachter gegenüber.

Einer der wenigen herausragenden Köpfe auf Fujimoris Liste, der Jurist und ehemalige Außen- und Premierminister Carlos Torres y Torres Lara, gibt zu, daß mit den bevorstehenden Wahlen nicht alles zum besten steht: „Eine Constituyente wird nie unter idealen Bedingungen gewählt, sondern unter revolutionären Bedingungen.“ Für ihn ist klar, daß es nur teilweise um die Reform der Verfassung gehe: „Es ist ein Machtkampf. Das Volk entscheidet, welche Kräfte es unterstützen will“.