■ Humanistische Glatze feiert Geburtstag
: Happy Birthday, Sinéad!

Dublin (taz) – „Diese verdammte Hure hätte man abtreiben sollen“, rief ein etwa 60jähriger Abtreibungsgegner in der irischen Grenzstadt Pettigo. Die Frau, für die er seine katholischen Prinzipien vorübergehend außer Kraft setzte, war Sinéad O'Connor. Im Fernseher, der über dem Plastiktresen an der Wand hing, erklärte die glatzköpfige irische Sängerin gerade, daß sie zweimal abgetrieben habe. „Ich bin zweimal von Männern geschwängert worden, die nur mit mir zusammen waren, weil ich berühmt bin“, sagte O'Connor. Ihr öffentliches Bekenntnis machte sie vor allem im ländlichen Irland zur Feindin Nummer zwei – gleich nach dem Teufel persönlich. „Dich hätte man abtreiben sollen“, schrie der 60jährige wieder in den Fernseher.

Aber Sinéad O'Connor ist wohlauf und feiert heute ihren 26. Geburtstag. Zuletzt überraschte sie ihre Fans mit der Ankündigung, daß sie ihre Karriere beendet habe und nach Dublin zurückkehren werde, um sich um die Opfer von Kindesmißbrauch zu kümmern. Das stieß bei der Gesellschaft für die Verhinderung von Gewalt an Kindern auf wenig Begeisterung. Ihr Sprecher Cian O'Tierney sagte: „Wir stellen doch keine Leute für diesen verantwortungsvollen Posten ein, nur weil sie berühmt sind. Eine solche Person müßte nicht nur die berufliche Qualifikation haben, sondern auch ihre eigenen Probleme in ihrem eigenen Kopf bewältigt haben.“ O'Tierney spielte auf O'Connors Auftritt im US-amerikanischen Fernsehen an, bei dem sie ein Papst-Foto zerriß. Dafür wurde sie beim Dylan-Konzert in New York ausgebuht. Auch Madonna gehörte zu den KritikerInnen: „Ich glaube, es gibt bessere Wege, um ihre Ideen zu präsentieren, als ein Bild zu zerfetzen, das anderen Leuten viel bedeutet. Während ich mit ihrer Theorie wohl übereinstimme, kann ich ihre Methode nicht gutheißen.“ O'Connor reagierte auf Madonnas Kritik durchaus verständnisvoll: „Sie ist offensichtlich als Kind mißbraucht worden. Wenn sie ihre Geschichte erzählt, werden alle sie verstehen.“ Doch nicht alle hielten ihre Tat für verwerflich. Vor kurzem versammelte sich eine Gruppe junger Leute auf der Treppe der St. Patricks-Kathedrale in New York. Die „Sinéad-Brigade“, wie sie sich nennen, zerriß den ganzen Tag lang ein Papst-Bild nach dem anderen. Auf den Transparenten, die sie am Kirchenzaun befestigt hatten, hieß es: „Der Papst muß sich entschuldigen, nicht Sinéad“. Die frommen Papst-Anhänger versammelten sich zu einer gar nicht so frommen Gegendemonstration: Nach dem Bibelmotto „Auge um Auge“ zermalmten sie in New York die CDs und MCs der Sängerin mit einer Dampfwalze.

Für Sinéad O'Connor ist die katholische Kirche die Wurzel allen Übels in der Welt. „Sie hat unseren Geist ermordet“, sagt sie. O'Connor macht den Klerus auch für Kindesmißbrauch – das ist nach ihrer Definition „alles von dem Satz, daß Jungen nicht weinen, bis hin zur Vergewaltigung“ – verantwortlich: „Wenn wir nicht mißbraucht werden, hat die Kirche keine Macht über uns – wir wenden uns nicht an sie.“ Ohne katholische Kirche kein Saddam Hussein, Adolf Hitler oder Ted Bundy, keine Alkoholiker, Drogenabhängigen oder Vergewaltiger: „Alle diese Menschen sind als Kinder mißbraucht worden.“ Die Lösung liegt bei dieser Theorie auf der Hand: „Wenn wir Kindesmißbrauch stoppen, hört auch alles andere auf. Die Juden in Deutschland wären nicht vernichtet worden, wenn Hitler als Kind nicht mißbraucht worden wäre. Hitler war kein schlechter Mensch.“ Ach, Sinéad.

So sehr O'Connor die katholische Kirche haßt, so gottesgläubig ist sie. „Jesus war von Geburt her der rechtmäßige Erbe des Throns von Israel.“ Um das zu verschleiern, wird er in der katholischen Kirche nur bekleidet dargestellt: Man soll nicht sehen, daß er beschnitten war. Mit ihren Interviews hat Sinéad O'Connor in den letzten Wochen auch ihre Fans verwirrt. Ihre frühere Unterstützung für die IRA hat sie inzwischen zurückgezogen. Von Prinzessin Diana sagt sie, daß es keinen Kindesmißbrauch gäbe, würde sie die Welt regieren. Und für deren Schwägerin Fergie freut sie sich, weil „sie endlich Glück und Sex gefunden“ habe, nachdem sie sich von Prinz Andrew getrennt hat. Eines steht fest: Entweder haßt man Sinéad O'Connor, oder man ist ihr Fan. Dazwischen gibt es nichts. „Ich möchte die Menschen lieben, und ich möchte, daß die Menschen mich lieben“, sagt sie. Tun wir, Sinead – trotz alledem. Happy Birthday! Ralf Sotscheck