Vorwärts zum nächsten Balkankrieg

Nach Großdemonstration in Athen nationalistische Zuspitzung in Griechenland und Mazedonien/ Namensänderung in Skopje/ UNO-Sicherheitsrat beschließt Truppenentsendung  ■ Von Dorothea Hahn

Berlin (taz) – Nationalistische Ausbrüche auf dem Balkan, pünktlich zum EG-Gipfel von Edinburgh: Bei einer der größten Demonstrationen der griechischen Geschichte gingen in Athen am Donnerstag zwischen ein und zwei Millionen Menschen unter dem Motto „Mazedonien ist griechisch“ auf die Straße. Sie waren einem Aufruf der griechischen Bürgermeister gefolgt, der von allen Parteien außer den Kommunisten unterstützt wurde. Auch die orthodoxe Kirche hatte ihre Schäflein für die nationale Sache mobilisiert. Bei der Abschlußkundgebung auf dem Platz des Kriegsgottes Ares wetterte Primas Seraphim am Mikrofon gegen die „kriminielle Vergewaltigung der Geschichte durch Skopje“. Seine Kirche bezeichnete er als „zärtliche Mutter und heilbringende Arche der griechischen Rasse“.

Gleichzeitig demonstrierten einige Tausend Menschen in der Hauptstadt des kleinen nördlichen Nachbarlands. Sie wandten sich gegen den eben beschlossenen neuen Republiknamen „Mazedonien-Skopje“. Der galt ihnen als Kniefall vor Griechenland.

In New York beschloß der Weltsicherheitsrat gestern angesichts der explosiven Lage auf dem südlichen Balkan, UNO-Truppen nach Mazedonien zu entsenden. Die 700 Soldaten und Polizeibeobachter sollen „präventiv“ in den Grenzgebieten zur serbischen Kosovo-Region und zu Albanien stationiert werden.

Ursprünglich wollte die ehemalige jugoslawische Teilrepublik ihren Namen „Mazedonien“ auch als unabhängiges Land beibehalten. Das löste in Griechenland Ängste vor Gebietsansprüchen auf den eigenen nördlichen Landesteil aus. Die Symbole auf den in Skopje geprägten Münzen – der Weiße Turm der nordgriechischen Stadt Thessaloniki – und im Staatswappen – der Stern von Vergina, das Zeichen des Königshauses von Alexander dem Großen – wurden als Beweise für derartige Ambitionen gewertet.

Präsident Kiro Gligorov hatte den Namen „Mazedonien-Skopje“ als Kompromiß vorgeschlagen, um die internationale Anerkennung seines Landes zu bewirken. Nach langer Diskussion fand er am Donnerstag abend die nötige parlamentarische Mehrheit. Unterstützung fand der Bindestrich-Name bei dem britischen Botschafter Robin O'Neil, der wenige Tage vor dem EG-Gipfel einen Bericht über die Lage in Mazedonien vorgelegt hat. Trotz der energischen Proteste des EG-Mitglieds Griechenland, empfiehlt O'Neil die „Anerkennung unter diesem Namen“.

In Edinburgh will der griechische Premierminister Mitsotakis aber gegen die „Geschichtsfälschung aus Skopje“ argumentieren. Nach seiner Lesart ist Mazedonien seit 3.000 Jahren griechisch, ebenso griechisch wie Alexander der Große. Eine Anerkennung des neuen Staates unter einem Namen, der auch das Wort „Mazedonien“ enthält, wertet Athen als Verrat. Außenminister Michalis Papakonstantinou hat bereits angekündigt, daß Athen in diesem Fall jede gemeinschaftliche Jugoslawien-Politik blockieren wird.

Zweimal schon hat es in diesem Jahrhundert Krieg in Mazedonien gegeben. Jetzt ist der Friede im südlichen Balkan wieder bedroht. Immer häufiger ist die Rede vom „Krieg“ – in Athen und in Skopje. Sollte der kompromißbereite mazedonische Präsident Gligorov in Edinburgh wieder keine Unterstützung für seine Namensschöpfung finden, wird das vor allem den Nationalisten nutzen, die schon jetzt über mehr als ein Drittel der Parlamentssitze in Skopje verfügen. Denn bislang haben nur Rußland, Bulgarien und die Türkei das Land voll anerkannt. Und die internationale Isolierung der vergangenen Monate hat schon zu Massenarbeitslosigkeit und Versorgungsengpässen in weiten Bereichen geführt.

Türkei vor Truppenentsendung nach „Ex-Jugoslawien“

Istanbul (taz) – In der Türkei wird die Forderung nach einer militärischen Intervention in Bosnien- Herzegowina immer lauter. Staatspräsident Turgut Özal, der sich am vergangenen Wochenende mit dem ägyptischen Amtskollegen Husni Mubarak in Kairo traf, gab bekannt, daß die Türkei und Ägypten einen außerordentlichen Gipfel der Islamischen Konferenz anrufen werden, falls bis zum 15.Januar der UN-Sicherheitsrat keine ernsthaften Schritte hinsichtlich Bosnien unternommen hat.

Auf einer Sitzung des türkischen Parlamentes am Dienstag hatte sich die Regierung die Vollmacht geholt, türkische Truppen für die Militärintervention in Somalia bereitzustellen. Bereits in den nächsten Tagen sollen rund 300 Soldaten entsandt werden. Allein die Abgeordneten der islamisch-fundamentalistischen „Wohlfahrtspartei“ stimmten dagegen. Die Abstimmung im Anschluß an die Debatte über Bosnien-Herzegowina fiel eindeutiger aus: 319 von 322 anwesenden Abgeordneten votierten für den Antrag, wonach die Regierung ohne Parlamentsbeschluß Truppen nach „Ex-Jugoslawien“ entsenden kann.

Mit der Formulierung „Ex-Jugoslawien“ hat das türkische Parlament der Regierung eine Blankovollmacht ausgestellt. Nicht nur in Bosnien, sondern auch in Mazedonien oder im Kosovo können türkische Soldaten zum Einsatz kommen. Außenminister Hikmet Cetin betonte allerdings, daß der Einsatz türkischer Truppen nicht als Alleingang, sondern im Rahmen einer internationalen Intervention erfolgen werde. Ömer Erzeren