Der Schnellzug in die Niederungen

■ FC St. Pauli 1:1 in Darmstadt / Eichkorn brüllte / Abstiegsposition in der Winterpause

/ Eichkorn brüllte / Abstiegsposition in der Winterpause

Hochmotiviert waren die Kicker des FC St.Pauli am Donnerstag in den ICE nach Darmstadt geklettert. Hochmotiviert waren sie noch vor dem Spiel in den Kabinen. Hochmotiviert spielten dann, als es ernst wurde, die Lilien mit den Hamburgern Katz und Maus. Die Abwehr der Hamburger strahlte eine Sicherheit aus, die einer Bodyguard-Truppe aus einem Kindergarten zur Ehre gereicht hätte. Die Raumaufteilung erschien den knapp 5000 Zuschauern so, als wären die Positionen in den Julklappgeschenken verteilt worden. Kein Wunder also, daß es in der 18. Minute zum 1:0 für die hessischen Gastgeber einschlug. Ein Wunder aber, daß es nicht mit einem höheren Rückstand zum Pausen-Tee ging.

Martin Peemöller, seines Zeichens Chef des Kartencenters und in Darmstadt Delegationsleiter der Hamburger (das Präsidium blieb zuhause), erschien als erster wieder aus dem Kabinengang nach der Pause. Seinen hochroten Kopf schüttelnd murmelte er nur: „So habe ich Seppo noch nie erlebt!“

Wer in Nähe der Katakomben des Stadions stand, wußte was gemeint war. Die Stadiondurchsagen gingen im Gebrüll des St.Pauli- Trainers Seppo Eichkorn unter, das, wenn nicht die Lautsprecheranlage den Ton kaschiert hätte, für jeden im Stadion deutlich gemacht würde, was der St.Pauli-Trainer wollte. Nur die Darmstädter Kabine schien schallisoliert zu sein. Die St.Paulianer demonstrierten zumindest eine halbe Stunde lang, daß sie noch zurecht in der Zweiten - und nicht schon in der Oberliga spielen. Endlich gab es auch für die rund 300 mitgereisten Hamburger Fans Grund zum Jubel: Ari Hjelm staubte im zweiten Versuch zum Endstand von 1:1 ab (48. Minute).

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel, so die Bilanz nach 90 Minuten. Man wird erst einmal Zeit genug haben, die Situation zu überdenken. Etwa wie man 1. der Abwehr ihre Aufgaben erläutert; 2. dem Mittelfeld (ausgenommen vielleicht noch Peter Knäbel und Petri Järvienen) den Sinn ihres Daseins erklärt; 3. dem Angriff rechtzeitig vorher zeigt, wo das Tor des Gegners steht und 4. die gesamte Mannschaft davon überzeugen kann, daß ein Spiel nicht nur 30, sondern 90 Minuten dauert. Zuviel auf einmal? Dann sieht's wohl bös aus in der zweiten Halb-Serie.

Jetzt steht erst einmal der wohlverdiente (?) Winterurlaub an; Zeit genug, die Dinge, die den Umschwung bewirken sollen, zu überdenken. Seppo Eichkorn wird auf den elterlichen Bauernhof nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen, sprich Patentrezept zum Klassenerhalt, suchen. Nicht, daß es zum Saisonende heißt: „Schöne Bescherung und guten Rutsch!“ Michael Fritz