Intervention für die Menschenrechte in Bosnien

■ Diskussion zum Menschenrechtstag im Süd Ost Zentrum Berlin

Diskutierende und Publikum waren mit der Materie vertraut. Es ging bei der Veranstaltung des Süd Ost Zentrums Berlin im Haus der Kulturen der Welt am Donnerstag voriger Woche, dem Tag der Menschenrechte, nicht mehr darum, festzustellen, was ist. Der Völkermord in Bosnien, die Konzentrationslager, die Massenvergewaltigungen waren der Ausgangspunkt für die Frage, wie die internationale Gemeinschaft sich angesichts der Verbrechen verhalten müsse. Und auch darum, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Weißkirchen in seinen einleitenden Worten, wie es gelingen könnte, der Schuldigen habhaft zu werden und sie zu bestrafen.

Einig waren sich die Diskutierenden darin, daß die Ideologie der gleichmäßigen Schuldzuweisung gegenüber den kriegführenden Parteien nicht mehr statthaft ist. Die serbische Politik – so der in Zagreb von kroatischen Nationalisten in den letzten Wochen scharf angegriffene Philosophieprofessor Žarko Puhovski – habe die größte Schuld auf sich geladen. „Wer heute immer noch behauptet, die kroatischen Serben wären im Vorfeld des Krieges von Kroaten bedroht gewesen, der merke sich folgende Tatsachen: Vor dem Angriff der jugoserbischen Armee auf Kroatien waren 1991 genau acht Personen in Kroatien getötet worden. Sieben davon waren Kroaten, einer davon Serbe. Es ist nicht besonders elegant, die Insignien des Nationalismus, wie die Nationalflagge, ständig zu zeigen, doch es ist ein Verbrechen, mit militärischen Mitteln gegen die Bevölkerung vorzugehen. Die jugoserbische Armee hat angegriffen, zuerst in Kroatien, dann in Bosnien.“

„Unverständlich“ nannte auch Tilman Zülch, Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, die Neigung vor allem in der Linken, mit Argumenten aus der Konstellation des Zweiten Weltkrieges, so etwa die Kennzeichnung Kroatiens als faschistisch, die heutigen von Serben begangenen Verbrechen zuzudecken. „Die mit der heutigen Politik der „ethnischen Säuberungen“ verbundenen Verbrechen sind Teil einer politischen Strategie der serbischen Führung, unter der, je länger der Krieg andauert, auch die serbische Bevölkerung zu leiden hat.“ Scharf griff er deutsche Intellektuelle an, die sich zwar in bezug auf die Konzentrationslager der Nazis betroffen zeigten, die aber nicht in der Lage seien, Konsequenzen für heute daraus zu ziehen. Kaum jemand habe es gewagt, gegen die heute bestehenden Konzentrationslager im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas zu protestieren.

Der Interpretation, die serbische Politik heute habe faschistische Züge, stimmte auch der Vorsitzende der Welt Roma Union, Raijko Djurić, zu. Djurić, selbst einmal Redakteur der Belgrader Politika und durch handfeste Drohungen vor einem Jahr aus Belgrad vertrieben, sah in der serbischen Innenpolitik keine größere Kraft, die in der Lage wäre, das Ruder in Serbien selbst herumzureißen. Die meisten der Oppositionsparteien stimmten mit den nationalistischen Zielen der serbischen Führung, vor allem in bezug auf das Kosovo-Problem, überein.

Ausgerechnet der Gründerin der „Frauen für den Frieden“ und Friedensaktivistin der achtziger Jahre, der heutigen Europaparlamentsabgeordneten der Grünen, Eva Quistorp, war es vorbehalten, das entscheidende politische Stichwort in die Debatte zu werfen. „Zwar stehe ich immer noch zu den Inhalten der Frauenfriedensbewegung, zu dem Ziel, die Gewalt in der Gesellschaft in allen Bereichen zurückzudrängen, doch angesichts der Situation in Bosnien ist zu überlegen, ob die Mittel des Pazifismus noch als Intervention für die Menschenrechte ausreichen.“

Für Žarko Puhovski und den Vorsitzenden des bosnischen Roten Kreuzes, Muhidin Alićehajić, wird die internationale Gemeinschaft – „so es sie gibt“ – um eine militärische Intervention in Bosnien nicht herumkommen, wollte sie nicht das durch die Verbrechen geschaffene Unrecht legitimieren. Es gebe nämlich nur zwei Möglichkeiten, den Krieg zu beenden, erklärte Puhovski. „Erstens, die Aufteilung Bosniens zwischen Serben und Kroaten hinzunehmen. Das darf niemand wollen. Zweitens, den Staat Bosnien-Herzegowina wieder zu errichten, und zwar als UNO-Protektorat.“ Der Protektoratsgedanke schöpfe sich nicht zuletzt daraus, daß es bei einem militärischen Gegenangriff zu Racheakten, diesmal an der serbischen Bevölkerung, kommen könnte.

Um das UNO-Protektorat durchzusetzen, so meinten die meisten der Diskutierenden, bedürfe es einer militärischen Intervention im Rahmen der Vereinten Nationen. Zuächst könnte ein Flugverbot durchgesetzt, dann allmählich die UNO-Zonen ausgedehnt werden. Die Gefangenen in den Konzentrationslagern müßten sofort befreit und von anderen Ländern aufgenommen werden. Zweifel am politischen Willen der internationalen Organisationen äußerte nicht nur Tilman Zülch. Nicht einmal die Installierung eines Internationalen Gerichtshofs sei gesichert. Auch der Berliner Hochschulprofessor Herwig Roggemann, der gerade von einer hochkarätig besetzten Juristentagung in Syrakus zurückgekommen war, zeigte sich enttäuscht. „Ein Internationaler Gerichtshof könnte sofort installiert werden, doch dafür gibt es noch zu viele Blockaden.“ So konnte die kroatische Serbin Željka Mrkić von der Frauengruppe Trešnjevka (Zagreb), die schon in Bonn und bei anderen Veranstaltungen aufgetreten war und noch einmal das Ausmaß der Massenvergewaltigungen im Zuge der ethnischen Säuberungen beschrieben hatte, für bescheidenere Ziele werben. Es wäre immerhin etwas erreicht, wenn die Mittel und die ausgebildeten Menschen vorhanden wären, den im Krieg geschundenen Frauen aller Seiten zu helfen. Erich Rathfelder, Mitorganisator