Afrika als Versuchstier der Neuen Weltordnung

■ Auf dem Schwarzen Kontinent geht der Trend zu teuren UNO-Interventionen/ Nach dem Angola-Debakel drängen die Vereinten Nationen auf eine aktivere Rolle

In seiner niederländischen Heimat patrouillierte der Polizist in den Straßen von Amsterdam. In der südangolanischen Stadt Lubango räkelte er sich dagegen gemütlich in der Abendsonne und beschrieb seinen Dienst so: „Wir tun nichts.“ Die Kollegen aus anderen Staaten schoben eine ebenso ruhige Kugel, um sich den üppigen Sold zu verdienen. Die Erklärung für das schöne Leben im bürgerkriegszerstörten Angola: „Wir können nichts tun.“

Die angolanische Friedensvereinbarung vom Mai 1991 sah vor, daß Polizisten im Dienste der UNO zusammen mit Kollegen der angolanischen Regierungspolizei und der Rebellenbewegung Unita auf Streife gehen sollten. Aber Unita stellte keine Polizisten – und so fiel der Streifendienst ins Wasser. Nun steht Angola schon wieder am Rande des Bürgerkrieges, und die UN-Polizisten sind nur ein Beispiel für eine gescheiterte Mission.

Zumindest erste Anzeichen deuten darauf hin, daß die UNO im Falle Mosambik aus den bitteren Erfahrungen in Angola lernen will. 7.500 Soldaten, voraussichtlich aus Italien, Bangladesch und Uruguay, werden zur Überwachung des am 1.Oktober unterzeichneten Waffenstillstands in den afrikanischen Staat geschickt. Auf etwa 330 Millionen US-Dollar werden die Kosten veranschlagt – aber die UNO steht mit ihren Friedensaktionen bereits mit einer Milliarde Dollar in den roten Zahlen.

Nichteinmischung ist überholt

Trotz aller Finanznöte dürfte der Trend zumindest in Afrika zu teuren Engagements gehen. Die vor 100 Jahren von den Kolonialmächten per Lineal gezogenen Staatsgrenzen lösen sich auf. Billig-Friedensmissionen nach dem Angola- Vorbild – wo nur knapp 800 Mann stationiert wurden – sind zum Scheitern verurteilt. Afrika droht mit seiner wachsenden Zahl von Konflikten zum Experimentierfeld zu werden: das Prinzip der Nichteinmischung ist von der Wirklichkeit längst überrollt.

Nicht nur der Reinfall von Angola war ausschlaggebend für die plötzliche Bereitschaft, Soldaten nach Mosambik zu entsenden. UN-Generalsekretär Butros Ghali und die USA befinden sich im Rahmen der „Neuen Weltordnung“ längst in einem Wettrennen um die Rolle des „Weltpolizisten“. Der UNO-Generalsekretär pflegt die Hoffnung, mittels einer ständigen „Friedensarmee“ die Vereinten Nationen zum Symbol und Hüter der Neuen Weltordnung zu machen. Die USA mit ihrem massiven Einfluß über die Finanzen der Vereinten Nationen dagegen betrachten die UNO, so Afrika-Experte Guy Arnold in der Zeitschrift New African, eher als Mantel, unter dem sie ihre geopolitischen Ziele anstreben können.

In Angola beschränkte sich die UNO auf das Beobachten. In Mosambik will sie eine aktivere Rolle spielen. Der italienische UNOMOZ-Chef Aldo Ajello leitet persönlich die Überwachungskommissionen. Nach dem Debakel in Angola wollen die Vereinten Nationen bei den mosambikanischen Wahlen im nächsten Jahr auch Mitspracherecht.

Während aber die im UN-Auftrag in Somalia einmarschierten US-Truppen sich auch den Weg freischießen dürfen, sollen sich die Blauhelme in Mosambik auf die traditionelle passive Friedenssicherung beschränken. Dank des vorgeschriebenen passiven Verhaltens sind die Friedenstruppen auf den guten Willen der ehemaligen Bürgerkriegsgegner angewiesen – einer chronischen Schwachstelle der UN-Friedensbemühungen der letzten Jahre.

Denn auch der Waffenstillstand in Mosambik richtet sich nach den Grundzügen, die schon unter dem letzten UN-Generalsekretär Perez de Cuellar in Nicaragua angewandt wurden. Danach werden die Regierungsarmeen massiv reduziert, die jeweilige Rebellenbewegung verpflichtet, die Waffen abzugeben – aber die UNO kann nicht überprüfen, ob die Vereinbarungen eingehalten werden.

Das Modell scheiterte in Angola auf der ganzen Linie: die Unita lieferte ihre schweren Waffen nie ab und besetzt mittlerweile drei Viertel des Landes. Auch die Regierung hielt eine eiserne Reserve in Bereitschaft. Die Demobilisierung der beiden Bürgerkriegsarmeen klappte wegen organisatorischer Mängel und mangelnden politischen Willens nur teilweise. Die entlassenen Soldaten fanden nur in Ausnahmefällen Arbeit und verdienten sich fortan ihren Lebensunterhalt als Straßenbanditen – mit Sturmgewehren in der Hand.

Plastiktoiletten im Busch?

Ähnliche Verhältnisse werden auch in Mosambik anbrechen. Auch hier verpflichteten sich beide Seiten zur Demobilisierung, obwohl für die arbeitslosen Soldaten beider Seiten anschließend kaum Arbeit zu finden sein wird. In Angola war schon vor Monaten abzusehen, daß der militärische Teil der Waffenstillsvereinbarungen nicht befolgt werden würde – Diplomaten redeten sich trotzdem wochenlang ein, daß dies nichts zu bedeuten hätte, bis der neue Konflikt nach den Wahlen Anfang Oktober ihnen endlich die Augen öffnete. In Mosambik will die UNO nun darauf drängen, daß Wahlen erst stattfinden, wenn beide Seiten ihre Verpflichtungen erfüllt haben.

Eine Haltung, die freilich ein Dilemma nicht löst: was geschieht, wenn die ehemaligen Bürgerkriegsgegner sich plötzlich vom Friedensprozeß abwenden? Die Erfahrungen von Angola lassen befürchten, daß ein Großteil der 7.500 Mann, die nach Mosambik entsandt werden, vor allem ihre Bequemlichkeit im Blick haben könnten. Die UN-Beobachter in Angola schleppten sogar hochmoderne chemische Plastiktoiletten mit in den Busch – und zu Fuß gingen sie möglichst auch nicht. Die Furcht, UN-Truppen könnten sich als ebenso schwerfällig und nutzlos erweisen wie Teile der zivilen Bürokratie der Vereinten Nationen, könnte die Bedeutung einer permanenten Blauhelm-Armee relativieren – auch wenn es bereits Überlegungen gibt, weitere 10.000 Soldaten nach Angola zu schicken. Willi Germund, Johannesburg