Mox-Erörterung wird zum „Geistertermin“

■ „Undemokratische Anhörung“ gegen Plutoniumbrennelemente geplatzt

Augsburg (taz) – Es ist Dienstag nachmittag, 16.25 Uhr. In der riesigen Schwabenhalle in Augsburg sind nur noch Pfiffe und Buhrufe zu hören. Keinen der rund 150 Einwender, die sich an diesem dritten Erörterungstag zum Einsatz plutoniumhaltiger Mischoxid-Brennelemente (Mox) im Atomkraftwerk Gundremmingen in der 5.000 Personen fassenden Halle eingefunden haben, hält es mehr auf seinem Platz. „Schikane, Farce, undemokratisch“, rufen die Frauen und Männer.

Verfahrensleiterin Edeltraud Böhm-Amtmann mußte eben eingestehen, daß tatsächlich, wie von den Einwendern moniert, eine Reihe von Antragsunterlagen für den Einsatz der Mox-Brennstäbe in Gundremmingen fehlen. Weder der Plutoniumanteil noch die genaue Zusammensetzung des Urans in den Mox-Brennelementen gehen aus den Unterlagen wirklich hervor. Doch statt den Erörterungstermin abzubrechen, wie von den Mox-Kritikern gefordert, verweist die resolute Juristin mit den blaugetönten Haaren auf das bayerische Umweltministerium: die sollen entscheiden. „Es ist nicht erkennbar, inwieweit sie durch unvollständige Unterlagen in ihren Rechten beschnitten sein könnten“, verteidigt sie sich. Als die daraufhin einsetzenden Mißfallensbekundungen etwas leiser werden, ergänzt sie: „Die Entscheidungsvoraussetzungen müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen, nicht zum Zeitpunkt des Erörterungstermins.“

Wütend ruft der Rechtsanwalt der Bürgerinitiativen im „Bündnis Schutz vor MOX“, Wolfgang Baumann: „Hier sollen offenbar rechtliche Grundsätze mit Füßen getreten werden. Wir verlassen diesen undemokratischen und schikanösen Erörterungstermin. Verhandeln Sie doch alleine.“ Sprach's, packt seine Aktenberge zusammen und verläßt, gefolgt von sämtlichen Einwendern, den Saal. Im Hinausgehen muß der Münchner Physiker und Mathematiker Klaus Buchner noch hören, wie seine Einwendung vom Tisch gewischt wird. Buchner hatte gezeigt, daß aus geheimen Unterlagen der Bundesregierung hervorgehe, daß bei Siedewasserreaktoren auf den Einstz von Mox-Brennelementen verzichtet werden solle. Dies deshalb, weil durch Mox-Brennelemente manche Störfälle nicht mehr beherrschbar seien.

Die Diskussion geht vor der Schwabenhalle weiter, wo empörte Einwender ihrem Unmut Luft machen. Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) deutet an, daß an einer Klage gegen den Mox-Einsatz nach diesem „rechtswidrigen Erörterungstermin“ wohl kein Weg vorbeiführe.

Einige Einwender bedauern, daß die Einwendung des Arztes Kurt Michel nicht mehr zur Sprache gekommen ist. Michel, der rund 30 Kilometer von Gundremmingen entfernt eine Praxis betreibt, hat eine überraschende Feststellung gemacht: „In den letzten sechs Jahren, seit Tschernobyl, konnte ich beobachten, daß Krankheiten innerhalb der Belegschaft des Atomkraftwerks Gundremmingen im seelischen Bereich überdurchschnittlich zugenommen haben.“ Michel nennt Depressionen, Alkohol- und Tablettenabhängigkeit. Und er befürchtet, daß gerade deshalb bei einem Störfall diese Menschen überfordert sein könnten. Vor dem Mox- Einsatz müsse müsse unbedingt eine entsprechende Studie durchgeführt werden.

Unbeantwortet auch die zentrale Frage des Verfahrens: Wozu überhaupt die plutoniumhaltigen Brennelemente? Der Abgeordnete Raimund Kamm (Die Grünen) zeichnet draußen vor der Halle die Alternative zu den Plutoniumbrennelementen vor. „Wenn endlich die Neuproduktion von Plutonium durch das Abschalten der Atomkraftwerke beendet wird, und zwar durch einen verbindlichen Ausstiegsplan aus der Kernenergie, kann sofort mit der Suche eines Endlagers begonnen werden.“ Daß auch die Energiekonzerne liebend gerne aus dem Teufelskreislauf der gefährlichen Plutoniumwirtschaft ausbrechen würden, deutete sich bereits an. Der Delegationsleiter der Antragsteller RWE und Bayernwerke, Klaus Petersin, erklärte in einem Interview: „Wenn es dort in den Lagern aus der Wiederaufarbeitung kein Plutonium mehr gibt, weil der Weg der direkten Endlagerung beschreitbar wird, dann hat sich das Thema Mox-Recycling erledigt.“ Plötzlich steht wieder das in den letzten Wochen heftig diskutierte Atom-Ausstiegsszenario im Mittelpunkt. Wird bald wieder ein bayerischer Umweltminister als Buhmann dastehen – dann nämlich, wenn sich die Energiewirtschaft, wie weiland in Wackersdorf, von heute auf morgen eines Besseren besinnt. Klaus Wittmann