Wahre Hymne

■ Ab morgen ist Mediale / Die Pressekonferenz bot Anlaß zur Kritik

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Pressekonferenz bot Anlaß zur Kritik

„Ich bedaure dieser Ausstellung auf den Leim gegangen zu sein“, erklärte der in New York lebende Künstler Hans Haacke bei der gestrigen Mediale-Pressekonferenz im Alsterpavillon. Er sehe seine Beteiligung an der Ausstellung in der südlichen Deichtorhalle als Teil eines „kulturellen Mantels für Imagewerbung“, wie sie in der „Medienmesse“ Art & Fair in der Halle gegenüber betrieben werde. Der gebürtige Kölner Haacke sprach für sich und Wulf Herzogenrath, Kustos der Berliner Nationalgalerie, für die Festivalleitung: Kein Künstler sei „gezwungen worden, bei der Ausstellung mitzumachen“.

Das blieb zwar unwidersprochen, und doch hat das achtwöchige Spektakel, das heute abend in beiden Deichtorhallen pars pro toto eröffnet wird, irgendwie mit Nötigung zu tun. Insofern nämlich, als alle 65 Einzelprojekte (mit 200 Künstlern in über 20 kulturellen Institutionen der Hansestadt) unter ein auch gestern nicht klar definiertes Konzept namens Mediale subsumiert werden. Zumindest, wie das geht, erläuterte Initiator Thomas Wegner gestern noch einmal an einem Beispiel. Als er gehört habe, daß das Deutsche Schauspielhaus die Uraufführung von Peter Brooks Opernadaption Impressionen von Pelléas plane, habe er gefragt, ob man dieses Ereignis nicht in den Zeitraum der Mediale legen könnte.

Mit einem finanziellen Gesamtvolumen von rund sechs Millionen Mark, 1,3 Millionen davon kommen aus dem Stadthaushalt, soll in der „Medienstadt“ Hamburg durchexerziert werden, wie sich die längst miteinander verwobenenen Bereiche von Kunst, Industrie und Unterhaltung aufführen, wenn man sie mit ebenso großspuriger wie verschämter Generosität nebeneinander präsentiert. Doch daß das Spektrum allein zwar Programm aber nicht Konzept sein kann, diese Einsicht drängte sich zumindest gestern auf.

Die wirklich spannenden, vor allem aber (selbst)kritischen Ansätze wird das Publikum in einzelnen Projekten finden, bei Jon Kessler im Kunstverein, in der Ausstellung des BBK auf Kampnagel, bei Shimon Attie und sicher auch bei den „Vier Elementen“ in der südlichen Deichtorhalle. Alle Termine und mehr sind im Mediale-Katalog (Auflage 30000) abgedruckt, der für 20 Mark an jedem guten Kiosk erhältlich ist. Katalog-Kommentar Hans Haacke: „Unter aller Sau“.

Ex-Schaulandt-Chef Wegner hin-

gegen teilt mit Justus Frantz, neben seiner neuen Eigenschaft als Festivalinitiator, auch gewisse musikalische Ambitionen. Zwar wurde das „Europa-Konzert“ mit den Starorchestern aus Leipzig, London und Paris wegen Kostenexplosion kurzfristig gestrichen (im Katalog aber noch großartig angekündigt). Doch Wegner hat sich jenes nicht nehmen lassen: „Hamburg schenkt Europa ein Lied“ – natürlich auch auf CD erhältlich. Es war zwar nicht die „avantgardistische Fassung“ des vertonten Europa, deren Erklingen die Versammelten gestern peinlich berührte. Aber fest steht: Auch jedes Festival hat die Hymne, die es verdient. Mechthild Bausch