„Die glauben alle an seine Unschuld“

■ Sportmediziner Wendler darf nach Doping-Vorwürfen keine Athleten mehr im Landesinstitut betreuen/ 61 von 80 Berliner Landestrainern stammen aus der DDR

Berlin. Erste Konsequenz im Fall Hans-Joachim Wendler: Der Arzt am Olympia-Stützpunkt, den der Spiegel beschuldigt hatte, in der DDR Sportler mit Anabolika gedopt zu haben, darf im Landesinstitut für Sportmedizin keine Athleten mehr betreuen. Gesundheitssenator Peter Luther will damit verhindern, daß der Ruf des Instituts durch eine weitere Zusammenarbeit mit dem Mediziner Schaden nimmt. Das Magazin hatte zwischen der Tätigkeit Wendlers als Vereinsarzt von Dynamo Berlin in den 80er Jahren und dem Tod des Hammerwerfers Detlef Gerstenberg eine Verbindung hergestellt. Gerstenberg war kürzlich an den Spätfolgen des Anabolikamißbrauchs gestorben.

Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung von Hans-Joachim Wendler als Sportarzt am Olympia-Stützpunkt ist vertagt worden. Der Landessportbund (LSB), Wendlers Arbeitgeber, hat den Fall an den Deutschen Sportbund weitergeleitet. Dessen Anti- Doping-Kommission soll Anfang März herausfinden, ob die gegen Wendler erhobenen Vorwürfe berechtigt sind. Zu einer sofortigen Trennung von dem „furchtbaren Arzt“ (Spiegel) mochte sich der LSB nicht entschließen, weil ihm, so Sprecher Dietmar Bothe, „aus unserer Sicht nichts vorzuwerfen ist“. Im Dezember 1991 war Wendler, wie alle Trainer und Ärzte aus Ostberlin, von der Berliner Anti-Doping-Kommission unter Leitung des ehemaligen Senatspräsidenten Peter Rebsch befragt worden. Damals habe er sich als über jeden Doping-Verdacht erhaben erwiesen, sagt Armin Baumert, seinerzeit Mitglied der Kommission, jetzt Leiter des Olympia- Stützpunkts, wo Wendler seit Juli 91 arbeitet. Die Sportler im Stützpunkt schätzten seine medizinischen Fähigkeiten, sagt Baumert, „die glauben alle an seine Unschuld“.

Was ein wenig blauäugig erscheint. Zumindest die Tatsache, daß Wendler die Hürde „Doping- Kommission“ passiert hat, muß nicht zwingend als Indiz für seine Integrität gewertet werden. Fast alle Kandidaten sind unbeschadet aus den Kontrollen hervorgegangen, wenn sie nicht gerade zu den Führungskräften im DDR-Sport gezählt hatten oder sich vor dem Ausschuß verplapperten. Wie etwa Dieter Lindemann, Coach der Schwimmerin Franziska van Almsick. Er hatte versucht, das Dopingproblem zu verharmlosen, obwohl er bei Dynamo Berlin jenem Gremium angehörte, „das über den Einsatz von Doping-Mitteln entschied“ (Rebsch). Der LSB löste den Vertrag zum Ende Juni 92 auf, was an der Dominanz der Ost-Coaches nichts ändert. Derzeit beschäftigt der LSB 80 Landestrainer, 61 davon stammen aus der DDR. Verzichten auf die Dienste ihres Lehrherrn mußte Franziska van Almsick dennoch nicht. Nachdem sie tränenreich die Fortsetzung der Zusammenarbeit eingefordert hatte, durfte Lindemann weitertrainieren. Sein neuer Arbeitgeber: der Deutsche Schwimm-Verband. Holger Gertz