Für das Beste im Mann

Retorten-Papst Leidenberger forscht für  ■ deutsche Manneskraft

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2å Gott, der Herr, brauchte nur eine Rippe. Aus ihr erschuf er Eva. Freimut Leidenberger arbeitet in der selben Branche, wenn auch mit anderen Methoden. Der Molekular- Biologe vereint Eizelle und Samen im Reagenzglas, verhilft ungewollt kinderlos gebliebenen Paaren per künstlicher Kopulation zum Retortennachwuchs. Doch der Fortpflanzungsmediziner arbeitet nicht nur am Hamburger Baby-Boom; er engagiert sich auch dafür, daß in den „Entwicklungsländern“ weniger Kinder auf die Welt kommen.

Eine neue Entdeckung des von Leidenberger geleiteten Institutes für Hormon– und Fortpflanzungsmedizin (IHF) könnte beides gleichzeitig gewährleisten. Die Forscher vom Grandweg meinen, einige im Nebenhoden produzierte Eiweiße entdeckt zu haben, die für die richtige Spermienreifung unverzichtbar sind. Mit ihnen könnte in Zukunft männliche Impotenz therapiert, aber auch Frauen gegen Schwangerschaften „immunisiert“ werden.

Kritische Fachpublikationen, wie der „Gen-ethische Informationsdienst“, weisen darauf hin, daß sich mit Hilfe von Eiweiß-Antikörpern „Schwangerschaftsimpfungen für Frauen“ entwickeln lassen. Durch die „Impfung“ mit Teilen der Reifungs-Eiweiße soll, das bestätigen auch die IHF-ForscherInnen, der weibliche Organismus dazu veranlaßt werden, Antikörper zu bilden und im Genitalbereich auszuschütten. Diese könnten dann die spermaeigenen Reifungs-Eiweiße auf dem Weg zur Gebährmutter zerstören, den Samen so befruchtungsuntauglich machen.

Die Schwangerschafts-Impfung, so Christiane Kirchhoff, eine der „Erfinderinnen“ der Reifungs-Eiweiße, „würde wahrscheinlich nicht nur wenige Wochen oder Monate, sondern Jahre“ wirken. Den Frauen wäre für diese Zeit die „Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit" entzogen. Beim Mann könnten die Samenzellen nach Ansicht der Leidenberg-MitarbeiterInnen schon im Nebenhoden auf ähnliche Art und Weise „inaktiviert“ werden. Das Ziel: Sterilität auf Zeit. Allerdings sei bisher „noch sehr unklar, ob sich das im männlichen Körpersystem jemals anwenden läßt“, betont Christiane Kirchhoff.

Leidenbergers profitables Engagement gegen Kinderlosigkeit hier und Überbevölkerung dort, das Leidenberger-KritikerInnen wie die Uni-Gruppe „Reproviren“ als „rassistische Bevölkerungspolitik“ brandmarkten, hat Tradition. Schon 1987 gründete Leidenberger den Verein „Paten und Partner - Gesellschaft zur Förderung der Familiengesundheit in Entwicklungsländern“, der sich dem Kampf gegen die Bevölkerungsexplosion auf der Südhalbkugel verschrieben hat. Gern malt der Fortpflanzungs-Kontrolleur „die Horrorvision weiterer Milliarden von Menschen an die Wand, die aus purer Not den letzten Baum ihrer Region fällen und den letzten Busch verbrennen“.

Dabei unterschlägt Leidenberger stets, daß die reiche Minderheit der Industriestaaten, die der Reproduktionsspezialist mit Hormon- und Samenspritzen vermehren will, in weit größerem Ausmaß die Natur verdreckt und die Rohstoffreserven der Erde ausplündert als die arme Mehrheit auf der Südhalbkugel. So verbraucht jedeR Deutsche mehr als 100 mal mehr Energie und Wasser als einE Durchschnitts-ÄthiopierIn, erzeugt aber fast zehn mal soviel von dem Klima-Killer Kohlendioxid wie einE InderIn.

Besonders bedenklich: Um sich die Verwertungsrechte für die Reifungseiweiße und ihre Antikörper zu sichern, hat „Ersatz-Gott“ Leidenberger bei diversen Patentämtern Anträge eingereicht. Er beansprucht nicht nur das Patent an dem Nebenhoden-Produkt, sondern auch an fünf Abschnitten der menschlichen Erbsubstanz, die für die Herstellung der Samenbeigabe verantwortlich sind. Die jüngste Patentanmeldung mit der Veröffentlichungsnummer 0440321 A2 liegt derzeit dem Europäischen Patentamt in München zur Prüfung vor. „Voraussichtlich bis zum Herbst werden wir über den Antrag entschieden haben“, prognostiziert eine Sprecherin der Behörde.

Mit der Patentanmeldung will sich das Leidenberger-Institut auch die Rechte auf sämtliche in Zukunft auftretende Abweichungen der Gen-Sequenzen sichern — quasi ein kleines Evolutionsmonopol. Da der Patentantrag sowohl alle gentechnisch hergestellten wie auch die aus natürlichen Quellen isolierten Eiweiße umfaßt, unterläge jede bei Leidenberger untersuchte Samenprobe automatisch dem Verwertungsanspruch seines Institutes. Marco Carini