■ Berlins städtebaulicher Wettbewerb scheint entschieden
: Zu schön, um wahr zu werden

Kurios: Da lädt man die ganze Welt ein, sich am Spreebogen-Wettbewerb zu beteiligen, aber ein Berliner gewinnt, und bei der bundesweit ausgeschriebenen Reichstagskonkurrenz setzen sich drei der 14 zugeladenen Ausländer durch. Ein überzeugender Triumph Axel Schultes' einerseits, eine schallende Ohrfeige für die deutsche Architektenschaft andererseits. Wird also ein Ausländer den künftigen Sitz des Deutschen Bundestages umbauen? Eine solche souveräne Geste stünde Deutschland gut zu Gesicht. Doch das letzte Wort darüber ist noch längst nicht gesprochen. Das Preisgericht hat dem Bundestag eine harte Nuß zu knacken gegeben. Die Abgeordneten müssen nun entscheiden, wie sie es gerne hätten: einen kreisrunden Plenarsaal unter einer überhöhten, tulpenförmigen Kuppel (Calatrava) oder von einem riesigen gläsernen Dach überspannt (Foster) oder gar als Schüssel à la Brasilia auf ein Podium vor das Reichstagsgebäude gestellt (de Bruiin). Alle drei Entwürfe können nicht voll überzeugen, weil sie das fragwürdige Pathos des Reichstagsgebäudes bewahren (Calatrava) bzw. ihm durch eine neue Geste etwas entgegenzusetzen versuchen (Foster, de Bruiin).

Ganz anders der Vorschlag von Axel Schultes für den Spreebogen. Sein Ost-West-Brückenschlag von der historischen Stadtmitte zum Schloß Bellevue besticht, weil er gar nicht erst versucht, ein künstliches urbanes Zentrum in das Regierungsviertel einzupflanzen. Die Stadt soll da weiterwachsen, wo sie dies auch ohne Regierungsumzug täte: zwischen Spree und S-Bahn-Linie. Nicht das zerstörte Alsenviertel wird rekonstruiert, sondern der Tiergarten kann sich bis ans Ufer des Spreebogens ausdehnen. Das Konzept ist zu schön, um wahr zu werden. Schon kündigen sich die Konflikte an: Sicherheitsüberlegungen könnten die durchgängige Fußwegverbindung am Spreeufer gefährden. Ob es dem Kanzler gefallen würde, über einen schmalen Steg zu einem Garten zu gelangen, darf sehr bezweifelt werden. Vor allem aber die Abstimmung mit den Planungen für den demnächst auszubauenden Lehrter Bahnhof und den Entwürfen der Reichstagspreisträger dürfte sich schwierig gestalten: Nur Calatravas Vorschlag ließe sich relativ problemlos mit Schultes' klarer Struktur vereinbaren. Bauministerin Irmgard Schwaetzer fordert, „die funktionalen und gestalterischen Bedürfnisse des Deutschen Bundestages und des Bundeskanzleramtes mit den städtebaulichen Belangen in Übereinstimmung“ zu bringen. In Bonn hat dieser Prozeß über zwanzig Jahre gedauert. Berlin sollte sich nicht soviel Zeit nehmen... Oliver G. Hamm

Der Autor ist Redakteur der Zeitschrift „Bauwelt“.