Um einen Freispruch herumgemogelt

■ 129a-Verfahren gegen Holger Deilke eingestellt / Weitere Verfahren folgen / Zu erwartende Strafe schon jetzt abgegolten

eingestellt/Weitere Verfahren folgen/Zu erwartende Strafe schon jetzt abgegolten

Nach 100 Minuten war es amtlich: Der 4.Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) stellte als Revisionsinstanz das Verfahren gegen Holger Deilke (Paragraph 129a StGB: „Mitgliedschaft in der RAF“) gänzlich ein, nachdem der Bundesgerichtshof (BHG) das Urteil gegen Deilke bereits aufgehoben hatte. Der 32jährige Detmolder soll nur noch in einem Schnellverfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes, Urkundenfälschung und Autoklau belangt werden. Ihm drohen zwei Jahre Knast, die jedoch durch die Untersuchungshaft abgegolten sind.

Gestern morgen lief im Staatsschutzsaal 288 des Justizgebäudes alles nach Drehbuch ab (taz berichtete). Vor dem Verfahren war der Richter Diethelm Erdmann bei der Bundeswaltschaft (BAW) vorstellig geworden und hatte aus prozeßökonomischen Gründen auf eine Einstellung des „RAF-Komplexes“ gedrängt. Der BGH hatte nämlich das Urteil des „OLG-Staatsschutzsenats“ gerügt, in dem Deilke im Oktober 1991 zu drei Jahren Knast wegen „RAF-Mitgliedschaft“ verknackt wurde. Der BGH hatte moniert, daß, nur weil Deilke in der Illegalität „RAF-typische Methoden“ angewandt hatte, eine „RAF- Mitgliedschaft“ unterstellt wurde.

Getreu den OLG-Vorgaben beantragte die BAW, den „129a-Komplex“ fallen zu lassen: Bundesanwalt Hans-Peter Bell verzichtete sogar darauf, Deilke wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ anzuklagen, „weil sich auch dieser Tatvorwurf nach den Anforderungen, die der BGH stellt, nicht nachweisen läßt.“

Die Verteidigung hatte auf den „OLG/BAW-Deal“ keinen Einfluß. Verteidiger Johannes Pausch: „Es ist heute deutlich geworden, daß der Bundesanwaltschaft die letzten ‘Fälle' davongeschwommen sind.“ Durch den Einstellungsantrag versuche die BAW nun, einen 129a-Freispruch zu verhindern.

In einer kurzen Erklärung ging Holger Deilke nochmals mit der Staatsschutzjustiz scharf ins Gericht: Nach dem RAF-Anschlag auf den Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen „brauchte der Staatsschutz einen Fahndungserfolg.“ Deilke: „Da paßten wir gut ins Konzept.“ Deshalb wäre „aus unserem Leben in der Illegalität eine RAF-Mitgliedschaft auf noch so schwammiger Art konstruiert“ worden. Die Justiz wolle mit der Einstellung der Außenwelt Liberalität vorgaukeln. Deilke: „Aber auch dieses Gericht ist Teil des Repressionsapparats.“ Deilke weiter: „Der Staatsschutz hat im Rahmen dieses Verfahrens Dutzende kriminalisiert, die Hafenstraße an den Pranger gestellt, und Ute Hladki sitzt seitdem im Rollstuhl.“ Hladki, die Deilke in die Illegalität begleitete, erlitt in der Untersuchungshaft eine Querschnittslähmung. Kai von Appen