Verhaltene Stimmung in der Industrie

■ Autozulieferer hoffen, daß die neuen Modelle sie aus der Krise führen / Keine Entlassungen im großen Maßstab vorgesehen / Abbau in der Elektroindustrie / BMW profitiert vom Boom des Motorradmarkts

Berlin. Verhaltene Stimmung herrscht derzeit in vielen Berliner Industriezweigen angesichts der derzeitigen Wirtschaftsflaute. Entlassungen größeren Umfangs sind – einer taz-Umfrage zufolge – noch nicht in Sicht. Erschüttert werden von der allgemeinen Krise vor allem die Zulieferbetriebe für die Automobilindustrie. Im Ford- Werk in Zehlendorf hofft man, durch die Produktion des neuen Pkw Mondeo, der den Sierra abgelöst hat, mit „einem blauen Auge davonzukommen“, wie Controller Roy Parrish meint. Allerdings müsse sich der Wagen, der in zwei Monaten erstmals ausgeliefert wird, „auch dementsprechend gut verkaufen“. Im Ford-Werk mit seinen rund 1.200 Beschäftigten werden Kunsttoffteile für diverse Ford-Modelle gefertigt – etwa Türverkleidungen für die Mondeo- Endmontage in Belgien.

An Arbeit mangelt es nicht. Die Produktion für den neuen Wagentyp fange den „Fertigungsrückgang für die anderen Modellreihen auf“, so Parrish. So habe man im Januar auch zusätzliche 42 Arbeitskräfte mit Zeitverträgen eingestellt. Kurzarbeit wie im vergangenen Jahr will das Werk umgehen. Parrish: „Wir sind noch optimistisch und warten den Verkauf ab.“ Sollten die Erwartungen, die in Mondeo gesetzt werden, jedoch nicht tragen, werde Kurzarbeit „wohl nicht ausbleiben“.

Ähnlich zurückhaltend urteilt auch Christoph Kraetz, Assistent der Mercedes-Benz-Werksleitung in Marienfelde. In einigen Teilbereichen des Zulieferbetriebes mit rund 3.200 Beschäftigten (davon 1.500 im Produktionsbereich), das für das schwäbische Stammwerk Motorenteile liefert, herrscht Kurzarbeit. Auch hier setzt man auf die neuen Modelle der Kompaktklasse, die ab Sommer „neuen Schwung“ bringen werden, wie Kraetz glaubt. Eine bessere Auslastung erhofft sich der Zulieferer durch das seit Januar geltende Konzept des „Leistungscenters“, das von Untertürkheim unabhängiger machen soll. Gespräche über Fertigungsteile aus dem Marienfelder Werk laufen zur Zeit mit mehreren „namhaften inländischen Autoherstellern“, so Kraetz.

Optimismus herrscht hingegen bei BMW in Spandau. Der Motorradhersteller (1.900 Beschäftigte) will in diesem Jahr 37.000 Räder produzieren – 1.000 mehr als 1992. Damit erreiche die Produktion in Spandau „eine Rekordmarke“, wie Sprecher Christian von Stern erzählt: „Der Markt für Motorräder boomt nach wie vor, und ein Ende ist nicht abzusehen.“ Allerdings räumt auch er ein, daß die Rezession dazu zwinge, „Überlegungen anzustellen, wie wir Kosten minimieren können“. Darunter fallen – neben einer Verbesserung der innerbetrieblichen Struktur – auch Zeitarbeitsverträge, die nicht verlängert würden, sollte die Konjunkturschwäche anhalten. Entlassungen und Kurzarbeit seien aber keineswegs vorgesehen.

Auch an der Elektroindustrie, einer der stärksten Wirtschaftsfaktoren der Stadt, geht die Krise nicht spurlos vorüber. Bei Siemens mit rund 27.000 Beschäftigten sollen bis Ende September rund vier Prozent des Personals (1.000 Beschäftigte) abgebaut werden. Dies werde „sozial abgefedert“ geschehen, indem Stellen nicht mehr besetzt oder Mitarbeiter frühzeitig pensioniert werden, wie Sprecherin Ilona Thede erklärt. Neben der Lage auf dem Weltmarkt spiele auch der Abbau der Berlinförderung und der Strukturwandel in der Elektrobranche bei der anstehenden Reduzierung eine Rolle.

Bei DeTeWe mit rund 4.400 Beschäftigten in Berlin und Brandenburg sind nach Angaben von Sprecher Horst Rödiger „gewisse Abschwächungen“ bei Abnehmern in der Privatwirtschaft zu bemerken. Da DeTeWe jedoch zur Hälfte Aufträge für die Telekom wahrnehme, werde die Krise nicht so durchschlagen wie in anderen Branchen. Dunkle Wolken schweben allerdings über den – neuen – Tochtergesellschaften im Ostteil der Stadt. Aufgrund von „Anlaufschwierigkeiten“ sei beim DeTeWe-Funkwerk in Köpenick (316 Beschäftigte) und bei DeTeWe- TSB in Weißensee (126) in diesem Jahr ein Personalabbau „möglich“. Bevor dies jedoch geschehe, werde man durch Kurzarbeit „abfedern“, so Rödiger. Severin Weiland