Sicherheitsrat reagiert nur pro forma

■ Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates wollen auch nach dem Fall von Srebenica nicht handeln

In Ostbosnien geht das Schlachten mit unverminderter Brutalität weiter. Wenn Srebrenica gefallen oder aber an die Serben „übergeben“ wurde, droht den beiden ebenfalls belagerten Enklaven Gorazde und Zerpa dasselbe Schicksal in den nächsten zehn Tagen. Damit hätten die bosnischen Serben ihr wichtigstes strategiches Ziel erreicht. Der Vance/Owen- Plan – Ergebnis der von vom UNO-Sicherheitsrat und den EG- Staaten verantworteten Bosnien- Verhandlungen – wäre weitgehend Makulatur. Bosniens muslimischer Präsident Alija Izetbegovic erklärte bereits am Donnerstag, er fühle sich angesichts der Entwicklung in Ostbosnien nicht mehr an seine Ende März geleistete Unterschrift unter das Abkommen gebunden. EG-Vermittler Lord Owen versuchte dagegen gestern, zu retten, was zu retten ist. Gegenüber BBC sagte er, die eventuelle Eroberung der ostbosnischen Stadt Srebrenica durch die bosnischen Serben sei nicht das Ende des von ihm und dem UN-Gesandten Cyrus Vance ausgehandelten Friedensplanes. Es sei keine Frage, daß Srebrenica eine moslemische Stadt sei. Und falls sie von den Serben eingenommen würde, müßten diese bei einem Friedensschluß wieder abziehen. Doch die internationale Staatengemeinschaft scheint das alles weiterhin nicht sonderlich zu berühren. Erst am 26. April, einen Tag nach dem russischen Referendum, soll eine Entscheidung über zusätzliche Wirtschaftssanktionen gegen Restjugoslawien und eine verschärftere Durchsetzung der bereits im Mai 1992 beschlossenen Sanktionen fallen. Eine Mehrheit des Sicherheitsrates bestätigte in der Nacht zum Freitag den entsprechenden Kuhhandel, den Moskau, Washington, London und Paris bereits über Ostern ausgekungelt hatten. Den darüber empörten fünf blockfreien Staaten des Südens wurde zur Gesichtswahrung noch zugestanden, daß der Sicherheitsrat am Montag/Dienstag nächster Woche eine erneute Bosnien-Debatte führt – falls Srebrenica bis dahin fällt. Venezuelas UNO-Botschafter Diego Arria gab sich gestern noch der Hoffnung hin, daß dann „doch noch eine sofortige Entscheidung zur Verschärfung der Sanktionen fällt“. Doch der amtierende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Pakistans Botschafter Jahmed Marker, konnte eine entsprechende Vereinbarung unter den 15 Ratsmitgliedern auf Anfrage nicht bestätigen. Sein britischer Amtskollege Sir David Hannay versuchte unterdessen, die Bedeutung von Sanktionen und damit die erneute Verschiebung der Entscheidung herunterzuspielen. Sanktionen seien „niemals ein kurzfristig wirkendes Instrument“. Offen ließen die westlichen Staaten bislang auch, ob sie auf das Ansinnen Moskaus eingehen und wie von Serbenführer Radovan Karadzic gefordert, die Bosnien-Verhandlungen wiederaufnehmen. Auf Basis einer neuen Karte, die statt wie im Vance/Owen-Plan drei separate serbische Provinzen, ein weitgehend zusammenhängendes serbisches Territorium zeigt. Also den Zustand, den die serbischen Truppen in diesen Tagen dabei sind herzustellen.

Moskaus Bosnien-Sonderbeauftragter Vitaly Tschurkin, der nach seinen jüngsten Begegnungen mit Karadzic und Serbiens Präsident Slobodan Milosevic eine entsprechende Karte entworfen hat, schlug inzwischen vor, eine neue Runde im Mai in Moskau einzuläuten. Andreas Zumach, Genf