Läßt Belgrad Karadzic alleine?

■ "Parlament" der bosnischen SerbInnen lehnt Friedensplan ab / EG-Owen droht mit militärischem Eingreifen / Neue Sanktionen gegen "Bundesrepublik Jugoslawien" traten vor der Ablehnung in Kraft

Bjelina/Belgrad (dpa/AFP/taz) –Das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen SerbInnen hat den Vance-Owen-Friedensplan am Montag morgen einstimmig abgelehnt. Die endgültige Entscheidung über den Plan delegierten die „ParlamentarierInnen“ an ein Referendum der serbischen Bevölkerung der ehemaligen jugoslawischen Republik, das am 15. und 16. Mai stattfinden soll. „Die bosnischen Serben steuern jetzt unausweichlich auf eine Konfrontation mit Europa zu“, kommentierte der EG-Vermittler für das ehemalige Jugoslawien, Lord David Owen, die Ablehnung des UN-Friedensplanes. Bis zum Sonntag abend hatte Owen in der serbisch-jugoslawischen Hauptstadt Belgrad versucht, den selbsternannten „Präsidenten“ der bosnischen SerbInnen, Radovan Karadžić, doch noch zur Unterschrift unter den Plan zu überreden. Die erneute Ablehnung durch das nicht demokratisch legitimierte „Parlament“ nannte Owen „tragisch“. Militärische Maßnahmen, wie die Bombardierung der serbischen Nachschubwege, könnten nun nicht mehr ausgeschlossen werden.

Owen würdigte ausdrücklich den Einsatz des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, der bis zuletzt mit seinen montenegrinischen und jugoslawischen Amtskollegen, Bulatović und Ćosić, versucht habe, die bosnischen SerbInnen zur Unterschrift zu bewegen. Politische Beobachter in der serbischen Hauptstadt Belgrad fragen, ob der rest-jugoslawische Einsatz für den Vance-Owen-Plan Auftakt für eine Änderung der Politik der international nicht anerkannten „Bundesrepublik Jugoslawien“ im Bosnienkrieg sein könnte. Bisher hatte der aus den Republiken Serbien und Montenegro bestehende Staat die Politik Karadžićs unterstützt. In der Botschaft der drei jugoslawischen Politiker an „Parlament“ und „Präsidenten“ der bosnischen SerbInnen hieß es nun, der „unnütze Krieg“ in Bosnien könne „nichts anderes als Schlachten und Leiden“ bringen. Milošević, der sich seit Ende der Achtziger Jahre als Führer eines extremen serbischen Nationalismus exponiert hatte, forderte in einem Appell von den bosnischen SerbInnen gar „Besonnenheit“.

Am Dienstag morgen um 05.55 Uhr werden die vom UNO-Sicherheitsrat am 18. April beschlossenen verschärften Sanktionen gegen die „Bundesrepublik Jugoslawien“ in Kraft treten. Die Handelsbeschränkungen, die sich gegen die Nachschubwege der bosnischen SerbInnen richten, sehen unter anderem die völlige Unterbrechung des Durchgangsverkehrs durch Rest-Jugoslawien, die internationale Überwachung des Schiffsverkehrs auf der Donau und eine Sperrzone in der Adria vor. Die Entscheidung des „Parlaments“ der bosnischen SerbInnen war zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Sanktionen noch nicht bekannt. Nach Angabe der UN- Schutztruppen (UNPROFOR) in Bosnien haben die bosnischen SerbInnen die UNO aufgefordert, ihre Truppen aus der seit Monaten belagerten ostbosnischen Stadt Srebrenica abzuziehen. Den 145 kanadischen UN-Soldaten in der Stadt wird vorgeworfen, nicht wie vereinbart alle Waffen der überwiegend muslimischen bosnischen Armee eingesammelt zu haben. UNPROFOR-Sprecher Frewer sowie der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), John McMillan, bekräftigten dagegen, Srebrenica sei „entmilitarisiert“. Sollten noch weitere Waffen entdeckt werden, würden sie von der UNPROFOR zerstört. Der frühere UNPROFOR-Kommandeur in Bosnien, der kanadische General Luis McKenzie, erklärte derweil, die serbischen Truppen hätten einer Stationierung weiterer kanadischer Soldaten in Srebrenica zugestimmt. Bis zum Redaktionsschluß war davon allerdings nichts zu merken: die beiden kanadischen UN- Einheiten, deren Stationierung Karadžić zugestimmt haben soll, hatten zuvor mehrfach vergeblich versucht, vom nordbosnischen Tuzla aus nach Srebrenica zu gelangen.