Nachschlag

■ „Fernando Krapp...“ im Schloßparktheater

Über der leeren Hinterbühne dreht sich, langsam und gleichmäßig, ein Ventilator. Unter ihm plätschert ebenso eintönig Tankred Dorsts Einakter „Fernando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben“ dahin. Dorst jongliert in seinem kleinen Stück (nicht besonders elegant) mit Wahrheiten – erfundenen, imaginierten, ersehnten. Leider ist das nie verwirrend, keinen Augenblick verliert der Zuschauer den Boden unter den Füßen, um in unangeahnte Schrecken oder Entdeckungen zu stürzen. Man durchschaut dieses Spiel nach den ersten Zügen – und hat schnell keine Lust mehr, ihm noch länger zuzuschauen: Fernando Krapp, reich und eitel, kauft sich die schöne Julia in die Ehe und erzählt ihr beiläufig, daß er sie mit einer Magd betrügt. Ihre Rache ist kümmerlich: Sie macht lügend ihren harmlos-hilflosen Verehrer, einen verdrehten Grafen, zum leidenschaftlichen Liebhaber – und wird von ihrem Gatten nicht gemeuchelt, sondern, wie es sich in einem ordentlichen Eifersuchtsdrama gehört – perfide! perfide! – ins Irrenhaus abgeschoben: Schließlich hat sie sich den Ehebruch auf dem Diwan nur ausgedacht. Ein Höhepunkt an Raffinesse ist erreicht, als sie aus dem Irrenhaus entlassen wieder glücklich beim Gatten eingepfercht ist, und der Graf plötzlich behauptet, was er zuvor bestritten hatte, nämlich wagemutig mit ihr kopuliert zu haben – das Leben ein Traum und das Theater leider nur ein Schlafmittel.

Das Stück ist so öde, wie der Plot klingt, und Bruno Klimeks Inszenierung macht es nicht aufregender: Sie ist redlich einfallslos. Klimek ist ein junger Regisseur, seine Inszenierung ist steinalt – nicht altersweise, nur müde metiersicher: gediegene Langeweile. Einzig Jens Kilians Bühne, ein leerer, von grauen Säulen und lautlos sich bewegenden Schiebetüren unterteilter, nahezu farbloser Raum, tröstet den Zuschauer mit ihrer kühlen Schönheit. Selbst Suzanne von Borsody, die man doch immer mit Genuß sah, agiert als Julia nur routiniert, perfekt, aber nichtssagend. Thomas Schendel als ihr schöngeistig-verschrobener Verehrer, ein Graf, den man am aufgemalten Schnurrbärtchen erkennt, chargiert nach Kräften. Die Steglitzer Witwen werden ihre Freude an ihm haben. Matthias Brenner als Fernando Krapp ist, mit Pomade im Haar und Selbstgefälligkeit in jedem Ton, nicht nur körperlich feist: Auch seine schauspielerischen Mittel sind es an diesem Abend, überdeutlich und schwammig, fern von jeder Doppelbödigkeit und ziemlich kraftlos. Als er verkündet, daß es „eine Liebesheirat“ sei, stopft er sich schmatzend ein Bonbon in den Mund, dröhnt „Ich bin, wie ich sein will“ und muß prustend in sein knallrotes Taschentuch niesen – wenn das keine ungemein komische Ironie des Schicksals beziehungsweise der Regie ist.

Man hangelt sich von Trick zu Trick, von Scherzlein zu Scherzlein, durchaus gekonnt, durchaus bemüht und durchaus sterbenslangweilig. Peter Laudenbach

Tankred Dorst: „Fernando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben.“ Regie: Bruno Klimek, Bühne: Jens Kilian. Mit Matthias Brenner, Suzanne von Borsody u.a.

5./9./11. Mai, 20 Uhr, Schloßparktheater.