Quotenabscheu bei Quotenjägern

■ "Vox meets n-tv" bei Diskussion in der Freien Universität Berlin: Erfolg ist, wenn man trotzdem sendet

Aufstrebende Kleinsender haben's ja so schwer. Die detaillierte öffentliche Erörterung, wie viele Zuschauer wann vor welchem Programm sitzen, überdeckt zwar (für viele Programme zum Glück) Fragen nach den Inhalten. Doch dafür werden die kommerziellen Funkhäuser täglich mit neuen Quoten und Umfragen bombardiert, die ihre Lebensberechtigung in Frage stellen. Vox und n-tv klagten am vergangenen Donnerstag ihr Leid bei einer Diskussion in der Freien Universität Berlin. Titel der wie ein Gipfeltreffen angekündigten Veranstaltung: „Vox meets n-tv“.

Der wohl bekannteste Einwand der Jungkanäle gegen die Quote: Die Zahlen stimmen nicht. Denn die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die die Quoten veröffentlichte, befragte mit 4.000 Haushalten einfach zu wenig Leute. Da es einem Sender wie dem Newskanal n-tv nur auf Quoten von rund einem Prozent ankommt, kann ein Promill mehr oder weniger über den Erfolg entscheiden. Kein Wunder, daß n-tv- Geschäftsführer Karl-Heinz Kuhlo bei dem Gedanken erschaudert, daß sein Kanal scheitern könnte, nur weil einer dieser GfK- Test-Menschen sich weigert, n-tv einzuschalten. „Von einem Zuschauer auf 10.000 zu schließen — da graust es jedem Statistiker“, sagte Kuhlo und nannte die Erhebungsmethode schlicht „unsinnig“. (Merke: Methodische Probleme werden immer dann entdeckt, wenn einem die Ergebnisse nicht passen).

Variante zwei der GfK-Kritik: Um ihre Testobjekte zu motivieren, auch wirklich fleißig einzutippen, wer gerade vor dem Fernseher sitzt und wer nicht, beglückt die GfK diese mit monatlich 20 Mark und dem Abo einer TV-Illustrierten. Daß sich dadurch die begehrten Besserverdiener wie Ärzte oder Rechtsanwälte überreden lassen, nach Feierabend im Dienst der Öffentlichkeit tätig zu werden, glauben die Fernsehmacher nicht. Und: In Büros oder Firmen werde überhaupt nicht gemessen...

Für Vox-Unterhaltungschef Andreas „Leo“ Lukoschik sind die Zahlen ohnehin bedeutungslos, seit er gehört hat, daß ein GfK- Vertreter eine hochschulgebildete Kollegin in die Kategorie „Grundschule“ eintragen wollte („Da fehlt mir nämlich noch jemand“). „Vergessen wir einfach die Quote“, schlug er vor, „die Leute schauen sowieso.“

Ganz so einfach mochte sich Peter Staisch, n-tv-Chefredakteur, nicht von den liebgewonnenen Werten verabschieden. „Zahlen haben etwas Erotisches“, sagte er und führte einen Fallrückzieher vor, mit dem er aus den „falschen“ Zahlen „richtige“ Schlüsse ziehen kann: Auch wenn die niedrigen GfK-Zahlen ganz bestimmt nicht stimmen — wenigstens haben sie im Lauf der Zeit zugenommen. Und das ist doch positiv!

Die Macher von n-tv und Vox wissen noch ganz andere Meßwerte: zum Beispiel die Glaubwürdigkeit. Wie der Chef des Reporterpools von Vox, Hubert Seipel, weiß, schalten zwar drei Millionen am Vorabend die RTL-Nachrichten ein. Eine Million schalte danach aber um zu „heute“ – angeblich, um die Seriosität der Privaten zu überprüfen. Zum Beispiel die Zahl der personellen oder inhaltlichen Veränderungen. Staisch nannte das Ziel eine „stetige Professionalität“ und wies darauf hin: „Bei uns sitzen immer noch dieselben Leute wie am Anfang.“ (Na, na: die Marketingchefin hat den Sender doch inzwischen verlassen.) Vox, das für Ex-Programmchef Ruprecht Eser einen Ersatzmann aufs Podium setzen mußte, sprach sich dagegen konsequenterweise für den Wert des „dynamischen Chaos“ aus. Ein Sender, der sich nicht ändere, werde langweilig – danach liegt Vox, das wg. fehlender Quote und fallender Werbepreise in Zukunft „das kühle elitäre Image ablegen“ und „ein Stück emotionaler“ werden will (dpa), ganz klar auf Erfolgskurs...

Zustimmendes Nicken rundum. Wunderbar, könnte man dann nicht jetzt mal über die Programme selbst reden? Zu früh gefreut. Staisch fiel gerade noch ein, daß beispielsweise am Karfreitag zwischen 23 und 24 Uhr eine halbe Million Zuschauer seinen Sender eingeschaltet... und immerhin, das ist doch... wenn man berücksichtigt... Stefan Niggemeier