Szene mit Gartenzwerg

■ Pierre und Gilles hielten Hof in Köln

Vor ihrem Atelier im Pariser Vorort Pré Saint-Gervais steht Schlange, wer in der europäischen Paradiesvogelvoliere Rang und Namen hat – oder einen haben möchte. Paloma Picasso war schon da, Nina Hagen und Boy George, Jean-Paul Gaultier und Christian Boltanski sind Stammgäste. Sie alle kommen, um sich von Pierre und Gilles fotografieren zu lassen. Einfach Pierre und Gilles: über ihre Nachnamen schweigen sich die beiden neuen Stars der Pariser Fotografenszene ebenso beharrlich aus wie über Einzelheiten ihrer Biographie. Daß sich der Fotograf Pierre und der Illustrator Gilles 1976 auf einer Party des japanischen Modeschöpfers Kenzo kennen- und schätzenlernten, ist auch die weitreichendste Information, die ihre gerade erschienene erste deutschsprachige Monographie über das Leben vor dem Kult hergibt. Um sie zu präsentieren und für die inzwischen in einem eigenen Fanclub organisierten Anhänger auch zu signieren, waren die beiden Könige des postmodernen Kitsches am vergangenen Wochenende nach Köln gekommen.

Dabei hätten die beiden Franzosen Werbung für sich selbst eigentlich gar nicht mehr nötig: Längst zieren ihre zunächst inszenierten, dann fotografierten und schließlich handkolorierten Tableaus den Titel des Stern und anderer Bunte-Bilder-Blätter; selbst das sonst staubtrocken hanseatische Zeitmagazin soll noch vor kurzem ernsthaft mit dem Gedanken gespielt haben, einen Auftrag an das Pariser Künstlerpärchen zu vergeben. So kamen auch die Macher der Frankfurter Ausstellung „Prospekt 93“ nicht an Pierre und Gilles vorbei. Noch bis zum 23. Mai sind einige ihrer Werke in der Frankfurter Schirn zu sehen. Die schwülstig-süßlichen Arrangements von Pierre und Gilles finden auf Plattencovern und Buchumschlägen hunderttausendfache Verbreitung. Und nach den Ausstellungen in der renommierten Hirschl & Adler Gallery in New York, in Rom, Paris und Lissabon klingelt auch die Kasse fröhlich: Ähnlich den Phänomenen Hundertwasser und Koons balancieren Pierre und Gilles haarscharf und marktgenau kalkuliert auf jener schmalen Grenzlinie, die gefälliges Kunsthandwerk vom provokativen Zitat trennt. Dicht umlagert war auch in Köln der Tisch, den Trend-Verleger Benedikt Taschen seinen beiden eingeflogenen frischen Stars vor den Buchladen am Kölner Hohenzollernring in die gleißende Sonne gestellt hatte. Ein Gartenzwerg – am Vormittag noch in einem Kölner Laden entdeckt und für das nächste Bildarrangement gleich eingekauft – ergänzte die Szene nebst einem Tableau von Pierre und Gilles. Ihre Bilder seien so schön romantisch, flötete ein blondgefärbter Teenager in den Endzwanzigern Pierre unter die schwarze Schmalztolle. Der lächelte brav und gab in gebrochenem Englisch zurück: „It's the message of love.“ Stefan Koldehoff

„Pierre et Gilles“. 80 Seiten mit 100 Farbabbildungen. Benedikt Taschen Verlag, Köln. Paperback, 14.95 DM. Posterbook: 9.95 DM; Postcardbook: 6.95 DM

Ausstellungen: Musée d'art contemporain, Lausanne, bis 27.6.93. „Prospekt 93“, Frankfurt, bis 23. Mai