Ausländische Gewerbetreibende im Abseits

■ SPD-Anhörung in Schöneberg zur Lage der ausländischen Gewerbetreibenden

Schöneberg. Gestiegene Mieten für Räume und Läden plagen deutsche wie ausländische Selbständige gleichermaßen. Doch letztere haben neben Sprachproblemen, vielfachen Diskriminierungen bei Behörden oder Ostberliner Wohnungsbaugesellschaften auch unter dem rigiden deutschen Handwerksrecht zu leiden, wie bei einer Anhörung des SPD-Fachausschusses für Wirtschaft und Arbeit am Dienstag abend im Rathaus Schöneberg von ausländischen Gästen beklagt wurde.

So kommt ein türkischer Jugendlicher während der Ausbildung zum Fleischer derzeit immer noch unweigerlich mit Schweinefleisch in Berührung – für einen gläubigen Moslem ein Unding. „Mangelnde Flexibilität“ auf deutscher Seite nannte denn auch Hüsnü Özkanli vom Verband Türkischer Unternehmer (VTU) als Grund, warum viele seiner Landsleute auf eine Fleischerausbildung verzichteten und sich statt dessen bei Gewerbeanmeldungen Strohmänner besorgten, die über den vorgeschriebenen Meisterbrief verfügten. Die Zahlen, die von der Handwerkskammer vorgelegt wurden, dokumentierten dies eindrucksvoll: Einem einzigen türkischer Fleischerlehrling stehen derzeit 147 türkische Malerlehrlinge gegenüber.

Absprachen bei der Ausbildung, die auf religiöse Motive Rücksicht nehmen, seien durchaus möglich, unterstrich Dietrich Krause von der Handwerkskammer. Doch an der gesetzlichen Bestimmung, die türkische Meisterbriefe in der Bundesrepublik nach wie vor nicht anerkennt, könne auch seine Institution nicht vorbeigehen. Neben solchen Detailfragen stießen vor allem die ungenügenden Beratungsmöglichkeiten auf Kritik. Der Migrationsforscher Jochen Blaschke warf der IHK vor, bislang den verschiedenen Ethnien in der Wirtschaft keine Aufmerksamkeit gewidmet zu haben – in den USA hätten die Handelskammern eigene Abteilungen für Ausländer. Die IHK hingegen habe nur Broschüren für ausländische Existenzgründer und die bislang lediglich auf deutsch. IHK-Vetreter Volgmar Strauch wehrte sich mit dem Verweis auf die sprachlichen Verzerrungen, die bei der Übersetzung der zum Teil sehr komplizierten juristischen Sachverhalte auftreten würden. Daß die IHK bisher wenig für das ausländische Kleingewerbe getan hat, wollte auch Strauch nicht in Abrede stellen. Notwendig sei eine verstärkte Mitarbeit der ethnischen Minderheiten in den Ausschüsssen der IHK – bisher sei dies an ihrer Zurückhaltung gescheitert. Offen blieb, wie weit die organisierte Kriminalität den ausländischen Gewerbetreibenden das Leben erschwert. Deutlich war bei diesem Thema die Zurückhaltung zu spüren. Hüsnü Özkanli rang sich schließlich zur Feststellung durch, daß die Mafia „schon da ist“. Doch aus Angst vor möglichen Repressalien hielten sich viele mit genaueren Schilderungen zurück. Severin Weiland