Zwischen den Rillen
: Ich bin eine gute Maschine

■ Der Teufel in Sozialkundelehrern: NoMeansNo und Fugazi

„I'm a good machine“, singt Rob Wright von NoMeansNo auf deren mittlerweile sechstem Album, und es stimmt: Sein grauer Schopf schwingt wahrscheinlich auch im Studio voll aufgeladener Wachheit im kompliziert groovenden Takt, als wäre der Teufel in einen Sozialkundelehrer gefahren. Dabei spielt Wright einen Bass, dessen melodiös knarzende Härte mit den „good machine“- Grooves seines Bruders am Schlagzeug zusammen eine Rhythmuseinheit im wahrsten Sinne abgibt, eine Einheit, die jeder Facette dessen, was das Wort Dynamik je bedeutet hat, einen scharf geschlagenen Sinn gibt. Die Gitarrenarbeit des dritten NoMeansNo-Mitglieds nimmt dann nur noch eine ergänzende Funktion ein, legt ein paar Schärfegrade mehr zu, wenn die dramatischen Kicks im NoMeansNo- Universum einen Peak höher getrieben werden, um dann in einen hymnischen, aber abgeklärt beherrschten Refrain zu münden.

Die kanadische Progressive- Hardcore-Band mit der schlagkräftigen Rhythmussection hat sich spätestens Ende der Achtziger einen festen Kultstatus über den engeren Zusammenhang der alternativen Hardcorezirkel hinaus in Amerika und Europa erarbeitet – und das ohne die tätowierte Kraftmeierei, die den aktuellen Metal/Hatecore-Boom bestimmt. Rob Wright macht mit seinen Texten allerdings keinen Bogen um den inneren Schweinehund, den auch die Herren mit dem gerechten Zorn auf Unrecht und Unterdrückung im Spätkapitalismus als ein zwangsläufiges subjektives Produkt der Verhältnisse ästhetisieren. Allerdings ist seine Negation des Bestehenden in eine Dialektik zwischen Text und Sprechposition gebogen, die sich nicht mit Nihilismus verwechseln läßt. Die „Good Machine“ ist eine, die die Wahrheit zu besitzen glaubt und deren Stimme Wright zwar annimmt, aber nicht für sich reklamiert.

Die ganze Platte mit dem Titel „Why Do They Call Me Mr.Happy?“ ist als eine Art Konzeptalbum zu verstehen: Ein alter Mann mit Hut und hexenhaftem Fratzengesicht, die rechte Hand mit langfingrigen Klauen, anstatt der linken ein Bündel Stroh, grinst vom Cover. Mr.Happy ist eine Mischung aus Freddy „Nightmare“ Krüger und der Vogelscheuche aus „Der Zauberer von Oz“ – fies-brutal und dümmlich-naiv zugleich.

Rob Wright trennt sein Sprechen/Singen nicht in predigender Weise von dieser Horrorgestalt, sondern inpersoniert sie mit seiner dunklen, vibrierenden Stimme, als müßte er befürchten, daß sie von ihm Besitz ergreift. Dieses Unbehagen in der Kultur ist allerdings nicht als unpolitische Bitterkeit eines alten Herrn Wrights mißzuverstehen, sie beschreibt genau die Grenze von Zynismus zu Fanatismus: „But I lied when I said that honesty was dead / I really believe all the things I say to you / It's just that none of them are true“ („Cats, Sex And Nazis“).

NoMeansNo ringen ihrem musikalischen Grundkonzept eine neue Variante ab, ohne dafür einen anderen Stil oder klar identifizierbare Einflüsse einzubauen. Die Stücke sind noch epischer, noch dramatischer als auf den vorhergehenden Alben, aber im Sinne einer Verschärfung: Ergänzt durch ein gezielt eingestreutes Klavier und eine Aufladung des Gesangs mit opernhaften Rollen-Variationen, nähert sich ihre Version des Hardcore noch stärker als vorher der Grenze zum 70er-Progressiv- Rock à la King Crimson – ohne völlig die Punk-Tugend der Reduktion dem Willen zum großen Entwurf zu opfern.

Auch Fugazi halten auf ihrer fünften Platte, „In On The Killtaker“, am Konzept eines kontrollierten, zorngetragene Energie nicht nur „rauslassenden“, sondern in harsch gegeneinander aufgehetzte Songpassagen zusammenpressenden Midtempo- Hardcore fest. Nur: NoMeansNo schaffen es, die von ihrer Rhythmussection durchgezogene Groovyness ohne Spannungsverluste in neue Bilder zu tauchen, Fugazi hingegen haben offensichtlich inzwischen vergessen, wie sie 1989 einmal angefangen haben: mit einem Debüt, das seine Wichtigkeit für den neuen Hardcore nicht nur der Tatsache verdankte, daß es dem auf Dauer ermüdenden Ultraschnell-Hauruck-Stil eine neue Form von Energie-Verarbeitung entgegensetzte; es borgte auch bei Reaggae und GoGo-Funk eine kompatible Form des Grooves aus. Da war ein Bass, der wußte, wie er Synkopen und Auslassungen gegen ein eher straight pulsierendes Schlagzeug in Spannung setzen konnte.

Leider ist davon nicht mehr viel übrig. Natürlich ist der charakteristische Gesangsdialog zwischen Ian McKayes monolithischem Brüllorgan und Guy Picciottos (manchmal zu) beschwörend Melodien wie widerwillig herauspressendem Singen immer noch geeignet, auf dem einen oder anderen Stück Refrainfragmente zu formen, die dann im guten Sinne Pop-Appeal entwickeln. Aber man spürt den seit fünf Jahren treu im Independent-Alternative-Bereich politisch korrekt agierenden Fugazi an, daß sie den Publikumswillen nach energischer Härte etwas übereifrig erfüllen wollen – und auch diesmal ruhige Phasen nur als Vorbereitung der nachfolgenden Explosion verstehen wollen.

„Facet Squared“ oder „Smallpox Champion“ sind noch einigermaßen gelungene Beispiele dieses Unterfangens, aber Fugazi sind viel stärker als NoMeansNo in Gefahr, ihr Grundkonzept auszuleiern, weil es von vornherein den direkten Effekt sucht. „Cool's eternal, but it's always dated“, heißt es ganz richtig im Opener der Platte; das coole Konzept, das Fugazi mal Dauerbrennerhits wie „Waiting Room“ bescherte, sollte nicht auf ewig fortgeschrieben werden. Jörg Heiser

NoMeansNo: „Why Do They Call Me Mr.Happy“ (Alternative Tentacles/EfA)

Fugazi: „In On The Killtaker“ (Dischord/EfA)