Zwischen Geiselnahme und Fußstreife

■ Jugendliche begucken sich die Polizei / Kripo ist der Wunschberuf, Schupo eher naja

Zwischen Geiselnahme und Fußstreife

Jugendliche beguckten sich die Polizei / Kripo ist der Wunschberuf, Schupo eher naja

Andächtig reichen die Teenies den vier Kilo schweren Polizeihelm und die kugelsichere Weste durch die Reihen. In dieser Montur noch an einem Seil hochklettern? Kaum vorstellbar. Die rund 50 Beamten des Sondereinsatzkommandos (SEK) in Bremen können sowas. Kein Wunder also, daß beim Einstellungsverfahren auch ein sportlicher Test dabei ist mit Sprinten, Weithochsprung und was nicht noch allem. Leichter hat es da schon der einfache Bereitschaftspolizist: Er oder sie trägt nur Dienstwaffe, Schlagstock und Reizstoffsprühgerät ständig mit sich herum. Die Maschinenpistole fährt im Auto mit.

Diese Woche ließen sich 18 junge Leute die Polizei „von innen“ zeigen. Eine Fahrt mit der Streife oder der Besuch eines Reviers waren allerdings nicht im Programm. Doch sonst blieb kein Wunsch offen: Über Jugend-und Rauschgiftkriminalität wurde diskutiert, Autobahnpolizei und gar SEK stellten sich vor, Wasserwerfer und Nachtsichtwaffen gab es zum Anfassen. Solche Schnup

Bald die Hälfte der Polizeilehrlinge sind Frauen...Foto: Katja Heddinga

pertage sollen die einstigen Polizeipraktika ersetzen und die „Sprachlosigkeit“ zwischen Jugendlichen und Polizei überwinden, tönt die Pressestelle vollmundig. Doch die gestrige Truppe mußte gar nicht mehr überzeugt werden. Am liebsten wollen sie zur Kripo, Jungs auch gern zum SEK.

Fußballspiele, Geiselnahmen und Demonstrationen sind die Haupteinsatzgebiete der Bremer SEK-Beamten (auf Beamtinnen wartet man noch). Wenn sich gerade mal nichts dergleichen Aufregendes tut in Bremen, dann fahren die Beamten Streife, nehmen auch mal einen Verkehrsunfall auf. „Da sind wir uns nicht zu schade für“, sagt der Leiter des SEK, Rainer Riekers. Zehnjähriges Bestehen feiert das SEK übrigens in diesem Jahr. Kurz nach der Gründung des Bundesgrenzschutzes waren als Reaktion auf die RAF in den Ländern Mobile Einsatzkommandos (MEK) und SEK gebildet worden.

Vor allem interessierte die Jugendlichen, wie man in diese Truppe kommt. Voraussetzung

sind drei Jahre Einzeldienst, „damit die Leute ruhiger werden und ein bißchen Lebenserfahrung mitbringen“, so der SEK-Leiter. Dafür dürfen sie dann mit Nachtsichtgeräten und hochmotorisierten Zivilfahrzeugen hantieren. Und immer neue Aufgaben stellt das Leben: Neulich der Plutonium-Verkauf zum Beispiel, den Vox filmte. Riekers zeigt den Video-Mitschnitt: Der Verkäufer wird von mehreren überwältigt, er stöhnt herzerbarmend.

„Nee, das ist mir zu hart“, meint eine 20jährige Abiturientin, sie will als Quereinsteigerin in die Kripo. Erstmals können im Herbst 20 KriminalkommissaranwärterInnen diese Abkürzung nehmen. Sie gehen gleich zum Studium auf die Hochschule für Öffentliche Verwaltung. Die anderen rund 70 Polizei-Lehrlinge dieses Jahres beginnen ihre dreiährige Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei, können erst danach aufsteigen. Für diese zusammen 90 Stellen haben sich rund 1.800 Menschen beworben. Wenn sie mindestens 162 bzw. 168 Zentimeter groß und mög

lichst keine BrillenträgerInnen sind, einen Realschulabschluß oder Hauptschule und Berufsausbildung vorweisen können — dann haben sie eine Chance.

Doch die meisten fallen beim schriftlichen Test raus: da muß man zu zehn Wörtern (zum Beispiel Bahnhof, Handtasche, Dieb) eine Geschichte schreiben und Konzentrationsübungen durchstehen. Nach sportlichem und medizinischem Test lauert zum Schluß eine mündliche Prüfung mit Rollenspielen: Ein Bewerber spielt zum Beispiel einen Diskothekenbesitzer, eine Bewerberin eine lärmgeplagte Anwohnerin, eine andere eine Discobesucherin. Und jetzt diskutiert mal schön. „Naja, da wollen wir wissen, ob die sich ausdrücken können, auch was sagen wollen“, erläutert Herrmann Mühlisch, der die Bewerbungen bearbeitet und aufgeregten AnruferInnen vor den Prüfungen ein bißchen was erzählt, aber nur ein bißchen. Daß man zum Beispiel nicht am Reck turnen müsse und auch keine Rechenaufgaben lösen. cis