Bremen als schlechtes Beispiel

■ amnesty international berichtet von Fehlverhalten der Bremer Polizei

Ein Bremer Vorfall beschäftigt die Menschenrechtsorganisation „amnesty international“ in London. Im Jahresbericht 1993 von amnesty, der am Donnerstag in Genf vorgestellt wurde, ist auf den zwei Seiten, die die BRD betreffen, die Mißhandlung eines 14jährigen Kurden durch Polizeibeamte vom März 1992 dokumentiert: Bei einer Kontrolle hätte der junge Kurde zu fliehen versucht und sei daraufhin von den Beamten zu Fall gebracht worden. „Nach vorliegenden Meldungen“, so der amnesty-Bericht, „bogen sie ihm die Arme nach hinten und versetzten ihm Schläge, als er vor Schmerzen aufschrie. Der 14jährige mußte sich später wegen einer Fraktur der Armknochen einer Operation unterziehen.“

Ebenfalls vermerkt in den Bericht ist die Aussage des Bremer Justizsenator gegenüber amnesty vom Oktober 1992, daß die rechtliche Prüfung des Vorfalls noch andauere. „Man muß wissen, daß der Vorfall einen Drogenhintergrund hat“, sagt der ermittelnde Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach. „Nach dem Stand der Ermittlungen hatte der Junge 20 Gramm Heroin bei sich und die Beamten haben zugefaßt.“ Er ermittele wegen „Körperverletzung im Amt“ durch einen Polizisten. „Aber das ist ein Verfahren, wie es öfter vorkommt. Ich sehe nicht, daß es da einen rassistischen Hintergrund gibt, der einen Eintrag in den amnesty-Jahresbericht rechtfertigt.“ Das Ermittlungsverfahren hat sich nach seinen Angaben so lange hingezogen, weil nach einem Tatzeugen aus dem Drogenmilieu erst gefahndet werden mußte. Dieser Zeuge habe ausgesagt, daß die Polizisten den jungen Kurden nicht geschlagen hätten. „Ich wundere mich, wie amnesty zu der Annahme kommt, daß hier eine rassistisch motivierte Handlung vorliegt.“

Merve Pagenhardt vom Innensenator bedauert die Erwähnung von Bremen im Bericht der Menschenrechtler. Für eine interne Untersuchung des Vorfalls sei es aber zu früh: „Wir warten auf den Abschluß des juristischen Vefahrens, ehe wir uns Konsequenzen überlegen.“

„Der Drogenhintergrund spielt für uns keine Rolle“, sagt Mike Butler, der bei amnesty international für Deutschland zuständig ist. „Wir untersuchen Mißhandlungen durch die Polizei. Und diesem Jungen ist bei der Festnahme der Arm gebrochen worden.“ Amnesty unterrichtet sich nach Butlers Worten über die Situation der Menschenrechte in Deutschland aus der Presse, durch Berichte von Menschenrechtsgruppen, durch persönliche Besuche und Kontakt mit den Opfern. Der Bremer Vorfall steht für die Organisation repräsentativ für andere Übergriffe der Polizei in Deutschland: „Wir haben ein Muster erkannt, nach dem 1992-1993 ausländische Bürger in Deutschland verstärkt zu Opfern von Übergriffen der Polizei geworden sind. In den letzten 18 Monaten hat es 20 solcher Angriffe gegeben.“ Bernhard Pötter