"Sat.1 ist nicht rechts"

■ Interview mit Wolf-Dieter Ring, dem Chef der bayerischen Landesmedienanstalt

Wolf-Dieter Ring wurde am Donnerstag als Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom Medienrat mit 37 von 39 Stimmen wiedergewählt. Der Jurist Ring war Anfang der 80er Jahre in der Bayerischen Staatskanzlei für Medien zuständig gewesen, leitete das Münchner Kabelpilotprojekt und baute die BLM mit auf. Die Namen, die sich mit der Karriere des 52jährigen verbinden, stehen nicht gerade für ein pluralistisches Medien-Konzept: Ring arbeitete unter dem späteren Abwickler des DDR-Rundfunks, Rudolf Mühlfenzl, und dem jetzigen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber – und hatte aus der zweiten Reihe heraus wohl erheblichen Einfluß auf ihre Entscheidungen. Auch der Konflikt um das Deutsche Sportfernsehen (DSF), der ihn bundesweit bekannt machte, paßt ins Bild: In einem zweifelhaften Verfahren erteilte er dem Sender die Lizenz und erweiterte so das Imperium des Medienmultis und CSU-Freundes Leo Kirch – zusammen mit dem Einfluß seines Sohnes und des Springer-Verlages, bei dem Kirch Großaktionär ist – auf fünf Fernsehsender in Deutschland. Ins Klischee des Parteisoldaten läßt sich Ring dennoch nicht ganz pressen. Nachdem er sich zumindest für ein Minimalprogramm des links-alternativen Bürgerradios „Lora“ in München eingesetzt hatte, stellten prominente CSU-Vertreter vorübergehend seine Wiederwahl als Präsident in Frage.

taz: Herr Dr. Ring, welche Entwicklung während Ihrer Amtszeit als Präsident der Bayerischen Landeszentrale bewerten Sie besonders negativ?

Wolf-Dieter Ring: Die gemeinsame Arbeit der Landesmedienanstalten ist im Moment vor große Bewährungsproben gestellt. Die gerichtlichen Verfahren gegeneinander sind nicht gerade ein Ausdruck harmonischer Zusammenarbeit. Man muß aber auch sehen, daß der Streit um komplizierte Anwendungsfragen einer schwierigen rechtlichen Regelung im Rundfunkstaatsvertrag geht: die vielbeschworenen Antikonzentrationsregelungen. Es geht jedoch ein bißchen unter, daß wir gemeinsam immer erfolgreicher versuchen, mit dieser Vorschrift fertig zu werden. Und zweitens – das relativiert die unerfreuliche Entwicklung ein Stück – haben wir eine ganze Reihe von Gebieten, wo wir beweisen, daß wir sehr gut und effizient zusammenarbeiten können. Beispiele sind die Werberichtlinien, der Jugendschutz, die Einhaltung von Programmgrundsätzen und die Gewaltdiskussion, wo viel praktische Arbeit geleistet wird.

Viele Auseinandersetzungen zwischen den Medienanstalten folgen einem einfachen Schema: Anstalten in rechts regierten Ländern kämpfen für eher konservative Sender, die in links regierten Ländern umgekehrt. Der fatale Eindruck: Die Medienanstalten sind bloß der verlängerte Arm der Landesregierungen.

Der Prämisse, es gebe rechte und linke Sender, möchte ich energisch widersprechen. Es gibt in der Politik eine nicht zu widerlegende Vorstellung, daß zum Beispiel RTL und Vox links sind, Sat.1 und DSF rechts. Ich glaube, diese Vorstellung ist grundfalsch. Die Sender kann man nicht diesem einfachen Mechanismus zuordnen, nicht mal in der Tendenz. Vollprogramme würden sich um ihren Erfolg bringen, wenn sie den Eindruck erwecken würden, daß zum Beispiel ihre Informationssendungen sehr einseitig wären.

Wie erklären Sie sich dann das oft vorhersagbare Muster?

Eine große Rolle spielt ein standortpolitisches Interesse. Und das ist natürlich mit einem parteipolitischen Interesse verbunden. Das ist unbestreitbar, und dadurch entsteht der Eindruck, den Sie formulieren. Im Fall von Sat.1 entsteht diese Optik, weil gerade die Direktoren von Rheinland-Pfalz und Bayern, die eine gewisse Nähe zu konservativen Parteien haben, die Fahne des Senders hochhalten. An diesem Fall kann ich aber auch Ihre These widerlegen: Rheinland- Pfalz wird nicht von der CDU regiert, dennoch hat sich die Landesregierung energisch für den Mainzer Sender eingesetzt. Das spricht eher für die standortpolitische Interessenlage.

Sie haben die Politiker davor gewarnt, „unangemessenen Einfluß“ auf die BLM zu nehmen. Gab es solche Einflüsse?

Natürlich ist es in unserem System so, daß Politik und Parteien versuchen, Einfluß zu nehmen. Entscheidend ist für mich, daß öffentlich-rechtliche Anstalten wie die BLM solchen unangemessenen Einflüssen entgegentreten. Mein Bemühen war es jedenfalls, an der Sache orientierte Vorschläge zu machen. Ich lese immer wieder von der „klar konservativen Mehrheit“ im Medienrat, die angeblich der CSU und der Staatsregierung hörig ist. Ich glaube, das Bild ist viel differenzierter. Sicherlich ist unbestreitbar, daß von den jeweiligen Mehrheiten eines Landes Einflüsse ausgehen. Aber es wäre zu einfach zu sagen, daß die Mehrheiten sich in den Entscheidungsprozessen der unabhängigen Gremien niederschlagen. Das ist nicht richtig.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt bemängelt, daß die BLM zuwenig Möglichkeiten habe, Konzentrationsprozesse aufzuhalten. Betrachtet man den Fall DSF, hat man den Einduck, daß Sie nicht einmal die Möglichkeiten nutzen, die Sie haben.

Dieser Eindruck ist nicht richtig. Ich habe das Anpacken dieser konzentrationsrechtlichen Regelungen prinzipiell mitgetragen. Anderer Meinung als zum Beispiel die Berliner Medienanstalt war ich im konkreten Fall DSF. Meine Kritik war, daß in das Genehmigungsverfahren um DSF alles reingepackt wurde: die Problematik Kirch-Vater, Kirch-Sohn, die ganze Frage Kirch/Springer. Jetzt zeigt sich zunehmend, daß meine Position nicht so ganz falsch war; daß diese Fragen bei DSF nicht die entscheidende Rolle spielen. Am Fall DSF kann ich halt nicht die Grundsatzprobleme der Konzentration lösen.

Der Konflikt dürfte aber nicht ausschließlich auf rein formalen Fragen wegen der Lizenz für DSF beruhen.

Ich bin der Meinung, daß wir bei der Auslegung der Konzentrationsregelungen manchmal mit zuwenig Augenmaß vogehen. Wenn man beachtet, daß wir auch noch einen ganz starken öffentlich- rechtlichen Rundfunk haben, weiß ich nicht, ob unsere manchmal radikal anmutende Auseinandersetzung um Unterbeteiligungen die Idee genügend berücksichtigt, die hinter den Gesetzen steht: nämlich die Sicherung der Meinungsvielfalt. Ob ein Progrmm mit 0,8 oder 2,3 Prozent Marktanteil die Meinungsvielfalt kaputtmacht, wage ich zu bezweifeln.

Was ist Ihre Kritik an der aktuellen Debatte?

Ich fürchte, daß die Diskussion dahin gehen könnte, die Veranstalter des privaten Fernsehens insgesamt zu verunsichern und um ihre Planungssicherheit zu bringen. Es macht für mich keinen Sinn, Sat.1 zu zerlegen. Ich bin auch nach wie vor nicht der Meinung, daß man Kirch und Springer einfach zusammenrechnen kann.

Sie können damit leben, daß das Privatfernsehen in Deutschland von zwei Gruppen, nämlich Kirch und Bertelsmann, dominiert wird?

Ich bin kein Vertreter einer Art Oligopol. Es sollten nicht zwei Konzernfamilien alles machen können, so daß ein Marktzutritt für neue Veranstalter nicht mehr möglich ist. Es wäre ja schön, wenn man jetzt alles neu ordnen könnte, dann hätte man einen größeren Wettbewerb. Aber wir sind nicht in einer solchen Situation. Also müssen wir die gewachsenen Strukturen stärker berücksichtigen. Wir müssen überlegen, wie wir die Unternehmen dazu veranlassen können, nicht ständig wieder neue Unterbeteiligungen einzugehen. Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, einen Sender federführend zu betreiben, könnte das Interesse daran so groß sein, daß sie lieber die Unterbeteiligungen aufgeben. Interview: Stefan Niggemeier