Moldova: Zwischen Rußland und Rumänien

■ Debatte über GUS-Beitritt / „Wirtschaftliche Abhängigkeit“ als Hauptargument

Bukarest (taz) – Knapp zwei Jahre nach der Ausrufung ihrer Unabhängigkeit befindet sich die mehrheitlich von ethnischen Rumänen bewohnte Ex-Sowjetrepublik Moldova am politischen Scheideweg. Der Präsident Mircea Snegur hat sich endgültig für einen Beitritt seines Landes in die GUS ausgesprochen. Auf einer Sondersitzung des Parlamentes in der moldovanischen Hauptstadt Chișinau, die am Montag begann und heute fortgesetzt wurde, sollen die Abgeordneten über den Anschluß an die GUS entscheiden.

Noch vor gut zwei Wochen, als Snegur sich zu einem Kurzbesuch in der rumänischen Hauptstadt Bukarest befand, hatte er offiziell nur von der Notwendigkeit einer ökonomischen Union mit der GUS beziehungsweise Rußland gesprochen, gleichzeitig aber betont, daß die „Reintegration“ der beiden rumänischen Staaten vorangetrieben werden solle. Tatsächlich aber dürfte er den rumänischen Staatspräsidenten Ion Iliescu wohl davon unterrichtet haben, daß der GUS-Beitritt bevorstehe.

Als Grund für seine Entscheidung nannte Snegur, Moldova bleibe kein anderer Ausweg, da das Land seinen Handel zu 80 Prozent mit GUS-Republiken und vor allem mit Rußland abwickle. Insbesondere im Energiesektor sei das Land an Rußland gebunden. Im Hintergrund des GUS-Beitrittes steht jedoch der Bürgerkrieg in Moldova, der zur Abspaltung der international nicht anerkannten „Dnjestr-Republik“ (Transnistrien) geführt hat, die von orthodoxen Kommunisten und russischen Militärs beherrscht wird. Die militärische Unterlegenheit gegenüber den transnistrischen Kräften und der andauernde Stellungskrieg hat Moldova in eine katastrophale wirtschaftliche Situation gebracht.

Im vergangenen Juli hatte Snegur mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin ein Friedensabkommen unterzeichnet, das eine politische Lösung des Konfliktes vorsah. Hauptbedingung Rußlands, dessen 14. Armee in der „Dnjestr-Republik“ stationiert ist, war offenbar, daß Moldova Teil des russischen Einflußgebietes bleibe. Der moldovanische Präsident hatte daraufhin den Wiedervereinigungsrufen aus Rumänien eine deutliche Absage erteilt.

Parlamentspräsident Pjotr Lutschinski hatte in einer Fernsehansprache vor der Parlamentsdebatte dann auch eine klare Entscheidung gefordert: „Die Politik der gleichen Distanz zu Rumänien und der GUS führt dazu, daß potentielle Wirtschaftspartner in Ost wie West abgeschreckt werden.“ Und während zahlreiche Abgeordnete der „Dnjestr-Republik“ in letzter Zeit nicht mehr an den Parlamentssitzungen teilnahmen, wollen sie nun den GUS-Befürwortern zu einem Abstimmungserfolg verhelfen.

Unklar ist dennoch, ob und wann das moldovanische Parlament für den Beitritt in die GUS stimmen wird. Zwar wußte Snegur bislang die Mehrheit des Parlaments hinter sich. Doch in den vergangenen Tagen haben sich Parlamentsabgeordnete und -fraktionen, die bisher hinter seiner Politik standen, gegen einen GUS-Beitritt ausgesprochen. Andererseits sind in Moldova weder Politiker in Sicht, die für den unumschränkt herrschenden Snegur eine reale Gefahr bedeuten würden, noch haben Oppositionsparteien realistische politische Alternativen anzubieten. Keno Verseck