CDU: Gaertner zu Unrecht Senatorin

■ Fraktionschef legt neue Rechtsgutachten vor / Parallelen zum Fall Blohm?

Irmgard Gaertner sitzt zu Unrecht im Bremer Senat. Das behauptete gestern der CDU- Fraktionsvorsitzende Peter Kudella unter Berufung auf neue Rechtsgutachten. Gaertner habe ihren Hauptwohnsitz drei Monate vor ihrer Wahl am 25. März 1992 nicht in Bremen gehabt und erfülle damit nicht die Wahlbedingungen des Bremischen Wahlgesetzes. Kudella fordete Gaertner auf, binnen 14 Tagen ihr Amt bis zu einer juristischen Klärung ruhen zu lassen. Sollte sie diesen Schritt von sich aus nicht tun, werde die CDU den Staatsgerichtshof in dieser Angelegenheit anrufen.

Die drei Gutachten hatte die CDU Anfang Juli in Auftrag gegeben, nachdem Regierungsanwalt Volkmar Schottelius in einer Expertise die Wahlvoraussetzungen bereits geprüft und für erfüllt erachtet hatte. In den drei Monaten vor ihrer Wahl, so der Regierungsanwalt damals, sei Gaertner „54 Tage in Kassel, die übrige Zeit in Bremen und außerhalb Bremens und Kassels“ gewesen.

Gaertner selbst hatte diese Angaben gemacht. Sie habe in Kassel als Direktorin des hessischen Landeswohlfahrtsverbandes ihre Arbeit bis zum Ausscheiden sauber abwicklen wollen. Gleichzeitig habe sie sich in Bremen an Land und Leute gewöhnt und Bremer Akten gewälzt. Das reiche an „Seßhaftigkeit“ zur Erfüllung der Wahlvoraussetzung nicht aus, erklären die Gutachter nach Angaben der CDU übereinstimmend. Im Juristendeutsch liest sich das so: „Das Qualitätsmerkmal Seßhaftigkeit wird bei der besonderen Formstrenge des formalisierten Wahlrechtes nicht durch fleißiges Lernen, sondern durch hinreichendes Wohnen erfüllt“, schreibt Hansgeorg Neumann, Verwaltungsjurist aus Braunschweig. Näheren Einblick in die Gutachten mochte die CDU nicht gewähren: „Wir werden sie möglicherweise als Schriftsätze dem Staatsgerichtshof vorlegen“, sagte Peter Kudella zur Begründung.

Die CDU sieht grundsätzlich Parallelen zwischen den „Fällen“ der Abtgeordneten Marion Blohm (DVU) und Irmgard Gaertner. Das Wahlprüfungsgericht hatte jüngst entschieden, daß Blohm die Wahlvoraussetzungen zur Abgeordneten nicht erfülle, weil sie ihren Hauptwohnsitz vor der Wahl im niedersächsischen Langen bei ihrem Mann und ihrem Kind gehalten habe. Blohm hatte dagegen angegeben, bei ihren Eltern in Bremerhaven gewohnt zu haben. Das Gericht entschied aber: Der Hauptwohnsitz ist dort, wo die Familie wohnt. Zur Begründung führte das Gericht das Meldegesetz an.

Wenn die CDU den Staatsgerichtshof anruft, muß dieser vor allem eine Frage prüfen: Wo wohnte die Familie Gaertner zwischen Dezember 1991 und März 1992, wenn Frau Gaertner eine Wohnung in Bremen, Herr Gaertner eine in Cottbus, beide zusammen eine in Kassel gehalten haben, alle drei Wohnungen aber unregelmäßig genutzt wurden?

Senatssprecher Klaus Sondergeld erklärte, daß der Bremer Senat die Wahl nach wie vor für rechtsgültig halte. Wer Zweifel daran habe, müsse sich an den Bürgerschaftsvorstand wenden, der für die Durchführung der Wahl verantwortlich gewesen sei. Außerdem genieße Gaertner Vertrauensschutz, da sie bereits vor eineinhalb Jahren gewählt und bislang noch niemand Einspruch erhoben habe. mad