In An Octopusses Garden

■ Alles im Fluß auf dem „Lust und Last“-Fest von AuCoop, Lagerhaus und Kontorhaus

...und nun will sich niemand des Kraken erbarmen, des papiernen Kraken, der unter Seinesgleichen, unter allerlei Meeresgetier nämlich, im Glashaus schwebt, ja: schwimmt, ein wahres Aquarium das ganze Haus, durch das die Massen strömen, fasziniert von den ausgedienten Karnevals-Kraken, aber immer noch will niemand die gebotenen 600 Mark berappen, da kann Auktionator Pago Balke, von den Blaumeiers ausgeliehen, noch so starke Sprüche klopfen, denn der Krake zählt ja bekanntlich zu den Wirbellosen, sagt Pago, und ist daher „vielleicht was für Leute aus dem politischen Leben“, die könnten sich das Monstrum ja „als Warnung ins Politbüro hängen“, doch soviel Humor haben die Politiker im Festpublikum dann eben doch nicht, und der Krake geht erst in der dritten Versteigerungsrunde weg für schlappe 450 Mark, wo doch die Kunstpappfische im Glashaus dem „Lust und Last!-Fest erst die rechte Atmosphäre verliehen, ja, die BesucherInnen, KünstlerInnen und TänzerInnen in heiter-beschwingte, geradezu mediterrane Stimmung versetzten, auf daß zwei Tage lang alles strömte, floß und schwärmte im Kulturzentrum an der Schildstraße, alternativ zum Ostertor- Straßenfest, das unweit des Lagerhauses durchs Viertel wogte und wo sich die Massen eher träge von Freßbude zu Freßbude schleppten, so daß es die weitere Nachbarschaft turnusmäßig in die Flucht treibe, wie Uli Pollkläsener vom Lagerhaus zu berichten weiß, aber gleich korrigieren muß: „Die Bremer bleiben beim O-Fest auch wieder mehr hier“, wegen des Gemeinschaftsfestes in der Schildstraße womöglich, gewissermaßen also ein Fest-im-Fest, denn dort bekämen die Leute all das, „was sie bei dem Rummel da vorne nicht kriegen“, schließlich ist ja das „Lust-und-Last“-Fest „ein bierbegleitendes Kulturfest und nicht ein kulturbegleitendes Bierfest“, wie es schon gleich das Programmheft verheißt, also strömt zwar auch das Bier im Glashaus und umzu, aber auch die Kultur ist nur so am schwappen, und zwar nicht mehr nur mit hauseigenen Attraktionen,sondern auch mit KünstlerInnen von außerhalb, angefangen vom Berliner Hofkünstler Christof Husemann, der den Durchgang zwischen Kontor- und Lagerhaus mit „Psychodelic-Tribal-Art“ bemalte, hübsch bunt und wiederum sehr aquamarin, voll zerfließender und dahinschmelzender Figuren in der Art des Keith Haring, angefangen also bei diesem Ausfluß von Graffitiwandmalkunst bis hin zum mitternächtlichen „Tanz in der Schwebe“, abermals im Glashaus, zu dem sich die im Lagerhaus ansässigen „Mobile“- Frauen aushäusige Gäste einluden, auf daß die allseitige Vernetzung der Bremer Künstler- und Handwerkergruppen mit dem Rest der Welt einmal richtig zum Tragen und zum Ausdruck komme, was ja durchaus nicht ohne Tücken ist, ein solches kunterbuntes Neben- und Durcheinander von ganz unterschiedlich gepolten Kulturschaffenden auf kleinstem Raume, wie man z.B. am Samstagabend im „Kontakthof“ erleben konnte, der rotlichdurchflutet bereits die Gäste einstimmte auf die „Peepshow“- Performance in den Fenstern des Kontorhauses, eine sehr durchtriebene, ja: verteufelte Art des Kunstgenusses, sehr subtil noch dazu, wäre da eben nicht gleichzeitig, so dreieinhalb Meter weiter, die betörende Tatjana Bragena losgebrochen, eine atemberaubende Hoola-Hoop-Artistin aus Sibirien, die alle Blicke derart auf sich zog, daß die Peepshow glatt dichtmachen konnte, vorübergehend zwar, aber dennoch, da konnten die als Moralapostel verkleideten Kontorhäusler noch so lauthals warnen: „Bitte hier keine zwei Mark einwerfen, sonst gibt's hier was schrecklich Laszives zu sehen“ — wozu die zwei Mark opfern, wenn Tatjana gratis wirbelt, und wenn gleich hinterher im Glashaus schon wieder die Festmusik voll am Wogen ist, einschließlich wabernder Trockeneisnebelschwaden, direkt unter den ausladenden Armen des schwebenden Kraken, märchenhaft geradezu, wäre die Musik der „Zwy Halleys“ und der sich glanzlos anschließenden „Tuned Dum Dum“ nicht so dröge, daß die die allseits verströmende gute Laune fast zum erliegen gekommen wäre wie ein zähfließender Feierabendverkehr, wären da nicht die vielen Akrobaten, Kostümträger, Kleinkünstler gewesen, die beständig durchs Publikum wuselten, hier und da kleine Kunststückchen und Scherze zum Bersten gebend, um schließlich irgendwo im großen Aquarium unterzutauchen, bis dann... tom