„Bremer Hilfe“-Chef angezeigt

■ Ex-Junkies wohnen für 20 Mark Quadratmeterpreis / Juristin: „Mietwucher und Betrug“

Dusche im Keller, von Bad keine RedeFoto: Christoph Holzapfel

„Wegen einer solchen Lappalie würde ich doch niemals betrügen“, beteuert Klaus Dyck, Geschäftsführer der „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“, Bremens größtem Verein für Drogenhilfe. Die „Lappalie“ — das sind die Mieten für ein Haus in Gröpelingen, das Klaus Dyck an ehemalige Drogenabhängige vermietet hat. Die Mieten zahlt das Sozialamt. Das Haus, für das früher die „Bremer Hilfe“ Nutzungsrechte hatte, gehört mittlerweile Klaus Dyck mit einem Freund.

Die 32 Quadratmeter große Dachgeschoßwohnung ist für 600 Mark Kaltmiete an eine Frau vermietet. Quadratmeterpreis demnach: 18,75 Mark. Für die darunterliegende Wohnung, insgesamt 37 Quadratmeter groß, gibt es verschiedene Mietverträge. Das bestätigte auch Klaus Dyck. Und zwar für jeweils zwei Mieter. Beide zusammen zahlen 833,36 Mark Kaltmiete. Quadratmeterpreis: 22,52 Mark. Dies hat die

Juristin Ulrike Heinken aufgrund vorliegender Mietverträge und einer Begehung der Wohnungen errechnet. Ulrike Heinken ist Mitarbeiterin der „Bewohner Beratung“, einer Einrichtung, die u.a. in Sachen Mietrecht berät.

Die ortsübliche Miete, so bestätigten Makler und das zuständige Sozialamt Mitte-West, liegt jedoch bei 9 bis 10 Mark. Die Mietforderungen übersteigen diese Grenze also um 100 Prozent. „Mietwucher“, bringt Ulrike Heinken die Sachlage auf den juristischen Punkt. Sie erstattete Strafanzeige — gegen die Hauseigentümer Klaus Dyck und Roger H., wegen des Verdachts auf Betrug sowie Mietwucher in drei Fällen.

Der Strafrahmen für Mietwucher sieht Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vor. Der Tatbestand setzt außer zu hoher Mieten auch den „Vorsatz“ voraus — insbesondere bei Ausnutzung der Unerfahrenheit anderer oder wenn eine Zwangslage oder ein Mangel an Urteilsvermögen vorliegen.

„Wir haben die Wohnungen mit 380 Mark kalkuliert“, erklärt Klaus Dyck. „Entscheidend“ sei dabei die Sparkassen-Finanzierung ihres Hauses gewesen, die auf die Mieter „umgelegt“ werde. Dyck: „Es kann jeder überlegen, ob er darauf eingehen kann oder nicht.“ Das Gesetz erlaubt wegen dieser „Aufwendungen“ allerdings nur die Verteuerung der ortsüblichen Miete um maximal 50 Prozent.

Was Dyck in diesem Zusammenhang nicht erwähnt: Die meisten der jetzigen wie auch der ehemaligen Mieter haben eine Therapie bei der „Bremer Hilfe“ hinter sich. „Er war doch mein Therapiechef. Ich hab' dem voll vertraut“, sagt Thomas S., einer von ihnen. Daß er nach Therapie und Nachsorgephase unbedingt die Wohnung haben wollte, ist verständlich. Daß plötzlich ein zweiter Mieter seine Küche, sein Klo und die provisorisch im Keller eingebaute Dusche mitbenutzen sollte, nahm er zunächst hin, weil es ein Kumpel aus der Therapiezeit war. Erst als ein offensichtlich psychisch gestörter Mann dessen „Wohnung“ übernahm, protestierte er heftig, drängte darauf, die gesamte Wohnung alleine übernehmen zu können.

Doch nichts passierte. Beide hatten Mietverträge über die Wohnung in Händen, von der jeder für sich nur ein kleines Zimmer bewohnte (mit 12,5 und 13 Quadratmetern). Mittlerweile war auch das Bauordnungsamt 1992 auf das Haus aufmerksam geworden: Die Wohnungen seien nicht in sich abgeschlossen und dürften deshalb höchstens von einem Haushalt bewohnt werden. Feuerschutzwände müßten installiert, einiges nachgebessert werden. Die Baugenehmigung zur Erfüllung dieser Auflagen liegt seit Juli vor.

Die Frage nach der Strafanzeige (vom Mai 1993) brachte Klaus Dyck aus der Fassung. Er wußte nur von der Anzeige eines anderen Ex-Mieters, der ihm u.a. Bereicherung an Therapiegeldern vorwirft. Klaus Dyck fahndete deshalb nach der Anzeige und erklärte der taz: „Weder bei der Staatsanwaltschaft noch bei Gericht liegt diese Anzeige von Frau Heinken vor.“ Das stimmt auch. Aber: Die Akte mit der Strafanzeige liegt bei der Kripo. Die wiederum hat im Rahmen ihrer Ermittlungen bereits einen der Mieter befragt und dabei beide Strafanzeigen präsentiert.

Den Vorwurf des Mietwuchers will Dyck nicht auf sich sitzen lassen: Der beziehe sich auf eine Geschichte vom Februar letzten Jahres, als auch „buten & binnen“ recherchiert und letztlich nicht berichtet habe, weil die Vorwürfe unbegründet seien. Und außerdem habe das Gericht Anfang Juni „alle Vorwürfe als haltlos“ bezeichnet. Damit hält er die Sache „ein für allemal“ erledigt. Nach Informationen der taz ging es in diesem Verfahren gegen einen säumigen Ex-Mieter allerdings keineswegs um Mietwucher. Birgitt Rambalski