Erst Attentat brachte Asylanerkennung

■ Lehrbeispiel Asylbehörden: Ein Überlebender verdankt dem Attentat die Anerkennung als politischer Flüchtling

Erst ein Mordanschlag auf deutschem Boden ist im Zweifelsfall für die Berliner Behörden ein Beweis für politische Verfolgung. Wie die taz in Erfahrung brachte, ermöglichte offenbar erst die Anwesenheit beim Mykonos-Attentat einem iranischen Kurden politisches Asyl in der Bundesrepublik. Wenige Tage zuvor hatten die Erläuterungen des Oppositionellen, der lange Zeit im Untergrund gelebt hatte, die Asylbeamten noch wenig interessiert.

Auf das Lehrbeispiel für die Arbeit der Asylbehörden wies jetzt die Rechtsanwältin und Richterin am Berliner Verfassungsgericht, Veronika Arendt-Rojahn, hin. Danach war der oppositionelle Kurde im August 1992 in die Bundesrepublik eingereist und stellte einen Asylantrag. Die Beamten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vernahmen ihn. Sie wollten wissen, auf welchem Wege er in die Bundesrepublik gekommen war. Sie interessierten sich für seinen Paß. Weshalb haben Sie den Paß nicht im Iran verlängern lassen, wollten sie von dem im Untergrund lebenden Mann wissen. Ob er mit einer Heiratsurkunde seine Identität nachweisen könne? Nicht zur Rede stand hingegen die politische Aktivität des Oppositionspolitikers. Daß er im Gefängnis gesessen hatte, fand ebenfalls kein Interesse. Die Befragung des Kurden, so Veronika Arendt-Rojahn, „hatte nicht im Ansatz zum Ziel, herauszubekommen, welchen Verfolgungen der Mann im Irak ausgesetzt war“.

Anfang September 1992, wenige Tage nach der Befragung, nahm der Kurde an einer Unterredung mit sieben weiteren iranischen Oppositionellen im Wilmersdorfer Restaurant „Mykonos“ teil. Eingeladen hatte Sadegh Charafkandi, der Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran, der sich wegen des Kongresses der Sozialistischen Internationale in Berlin aufhielt. Wie es zum weiteren Verlauf des Abends kommen konnte, beschäftigt nun den Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses: Kurz vor elf Uhr abends werden die Politiker im Hinterzimmer des Lokals niedergeschossen; Charafkandi und drei seiner Parteigenossen sterben. Vier Männer überleben das Attentat, darunter auch der asylbegehrende Kurde.

Makabre Pointe: Das furchtbare Attentat sorgte dafür, daß der iranische Kurde politisches Asyl erhielt. Der Staatsschutz holte ihn nach dem Mordanschlag – um ihn zu schützen und zu vernehmen – aus einem Asylbewerberheim und vermittelte ihm eine Wohnung. Wenige Tage später konnte seine Anwältin das dürftige erste Vernehmungsprotokoll des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nachbessern. Was dessen Beamte nicht weiter interessierte, wurde nun durch die Erhebungen des Staatsschutzes erhärtet – und überhaupt erst relevant: Der Oppositionelle ist politisch verfolgt, er ist vom Tode bedroht. Christian Füller

Siehe dazu Bericht zum Mykonos- Untersuchungsausschuß auf Seite 5