Laser-Schweißen am Ozonloch, Heizen mit Mondstaub

■ „Verschnaufpause" in Bonn: Bremer Weltraumkonzern ERNO sucht mit russischer Firma Auswege aus der Weltraum-Rezession

Weil es für die bemannte Raumfahrt momentan weniger Geld als früher gibt, sieht sich das Bremer Luftfahrtunternehmen ERNO nach anderen Projekten um, mit denen sich auch in Zukunft Geld verdienen läßt. Vor zwei Wochen unterzeichneten Vertreter der ERNO-Mutterfirma Deutsche Aerospace (Dasa) in Moskau einen Vertrag, der eine Zusammenarbeit mit dem russischen Weltraumunternehmen NPO Energija vorsieht. Die Vorhaben, die in der russisch-deutschen Kooperation geplant werden, klingen abenteuerlich: einmal soll das Ozonloch über der Antarktis mit Hilfe gigantischer Laseranlagen im Weltraum „zugeschweißt“ werden. Andererseits brüten die Ingenieure an einer Möglichkeit, Mondstaub zur Erde zu transportieren und hier als „saubere Energie“ zu verarbeiten.

Nach dem Ende der deutschen „D2-Mission“ sitzen die ERNO- Leute derzeit auf dem Trockenen: sie fürchten Auftragseinbrüche, die zwischen 120 und 160 Millionen Mark jährlich ausmachen können, sagt Ute Lieske- Wessendorf von der ERNO. Bis zum Jahresende 1994 sollen 250 der 1200 MitarbeiterInnen entlassen werden. Etwa ein Fünftel des Haushalts beim Bundesforschungsministerium werden mit 1,7 Milliarden Mark für die Weltraumforsching ausgegeben. Zwar sinkt das reale Gesamtbudget für die Europäische Raumfahrt nach Angaben aus dem Bundesforschungsministerium im nächsten Jahr nur geringfügig, doch Manfred Fuchs, Geschäftsleiter der Bremer Weltraum-Firma OHB- System spricht von „einer Etat- Reduzierung von 20 bis 30 Prozent“, der letztlich auf die deutschen Firmen durchschlägt. Das „Columbus“-Projekt der ERNO, der Bau eines europäischen Labors für die US-Raumstation „Freedom“, ist auf Eis gelegt. Monatlich, heißt es aus Bonn, bekommt die ERNO knapp sechs Millionen für ein „Minimalprogramm“, das die Weltraumwerkstatt am Leben erhalten soll. Die Verzögerung sei nur eine „Atempause, kein gewaltiger Einbruch für die Raumfahrtindustrie“, heißt es aus Bonn.

Grund genug für die ERNO jedenfalls, sich nach neuen Märkten umzusehen. Die Projekte mit der russischen NPO seien „sehr langfristig, für einen Zeitraum von 50 bis 60 Jahren, geplant“, so Lieske-Wessendorf. Eine „Handvoll Mitarbeiter“ werde sich von Seiten der ERNO mit dem Problem beschäftigen und bis Jahresende eine „Machbarkeitsstudie“ vorlegen. Geklärt werden muß vor allem die Finanzierung des ehrgeizigen Projekts.

Die Pläne im einzelnen: russische Trägerraketen sollen Parabolspiegel in die Umlaufbahn bringen, die in 1500 Kilometern Höhe das Sonnenlicht zu Laserstrahlen bündeln. Mit diesen Lichtblitzen sollen Sauerstoffatome in der Atmoshäre aufgespalten werden — und daraus soll sich Ozon entwickeln, der das Ozonloch in 24 Kilomtern Höhe auffüllen könnte.

Der zweite Plan erinnert noch mehr an frühe Science-Fiction- Filme: Helium 3-Moleküle, die im Mondstaub lagern, könnten nach den Überlegungen auf dem Mond im Tagebau gewonnen werden, dann zur Erde transportiert und hier „in Reaktoren zu sauberer Energie fusioniert werden“, wie die ERNO mitteilt.

Große Zweifel an der Durchführbarkeit und dem Sinn dieser Projekte meldet der Chemiker Dieter Perner vom Mainzer Max- Planck-Institut für Chemie an. Theoretisch sei so etwas zwar denkbar, aber für die Laser- Schweißung des Ozonlochs seien mindestens 78.000 Megawatt nötig. Um diese Energie zu erzeugen, müsse man entweder Atomkraftwerke in die Umlaufbahn schießen oder 24 Millionen Spiegel von je 20 Metern Durchmesser ins All bringen. Und die Idee, Rohstoffe vom Mond zu holen, findet Perner „ein bißchen stark. Auf der Erde werden gutgehende Atomkraftwerke verschrottet, weil man von der Kernenergie weg will. Mit Helium-3 läuft dann ja alles auf Kernfusion hinaus.“ Insgesamt sei der riesige Aufwand, der da getrieben werde, von deutscher und von russischer Seite wirtschaftlich motiviert, um die Weltraumindustrien am Leben zu erhalten: „Die Russen greifen derzeit nach jedem Strohhalm.“

Bernhard Pötter