SPD macht sich mit Wischer Mut

■ Neue Landesvorsitzende erhielt viel Beifall und große Mehrheit

Das haben die Bremer Sozialdemokraten seit den Bürgerschaftswahlen 1991 kaum mehr erlebt: Ein Parteitag ohne Kratzen, Beißen oder andere vorsätzliche Verletzungen. Stattdessen Applaus, Applaus, Applaus und eine neue Vorsitzende, die trotz eigener Warnungen jetzt damit leben muß, Hoffnungsträgerin für die desperaten Genossen zu sein.

„Ich bin keine lebende Vision“, hatte die Kandidatin Wischer gleich zu Beginn ihrer Rede gewarnt und dann am Ende noch einmal wiederholt: „Ich bin keine, die Wunder bewirken kann“. Aber wenigstens Mut auf bessere Zeiten wollten sich die in Bremerhaven versammelten Genossen machen. Und so gaben sie Wischer erst langen Applaus für ihre Rede, dann eine große Mehrheit und dann erneut Applaus. 121 Genossen stimmten für Wischer, nur 22 verweigerten die Zustimmung, 5 enthielten sich.

„Integration heißt mein Ansatz“, hatte Wischer in ihrer halbstündigen Rede noch einmal versichert. Die SPD solle wieder mit sich ins Reine kommen, die überfällige und lang beredete Parteireform beschließen, die Bürgerschaftsfraktion solle bei den nächsten Wahlen radikal verjüngt werden und überhaupt die Partei endlich wieder lebendig, attraktiv und unverkennbar sein. Viel allgemeine Ziele also, nichts Konkretes zur jüngsten Vergangenheit oder zu landespolitischen Themen. Doch soviel wurde klar: Wischer will der SPD das Profil einer linken Volkspartei zurückerarbeiten. „Ich bin eine Linke“, sagte Wischer und versprach allen Andersdenkenden zum Trost Achtung vor der anderen Meinung „und vor dem, der sie vertritt.“

Seit den Bürgerschaftswahlen 1991 ist Tine Wischer bereits die vierte Hoffnung an der Spitze der Bremer SPD. Ilse Janz, Horst Isola und zuletzt Konrad Kunick hatten vorzeitig das Handtuch geworfen. Nach Kunicks vorzeitigem Abgang, nach heftiger Kritig an seiner Wedemeier-Demontage, hatte der Landesparteitag im August die Neuwahl des gesamten Vorstandes beschlossen. Zu diesem Zweck war der längst terminierte Halbzeitparteitag zu den Leistungen der SPD in der Ampel auf Oktober verschoben worden. Neuer stellvertretender Landesvorsitzender ist der Bremerhavener Uwe Mögling. Der bisherige stellvertretende SPD-Vorsitzende Karl-Heinz Stelljes hatte nicht wieder kandidiert, da die Kritik mehrerer Genossen an angeblich „zu linken Positionen“ ihm zu Herzen gegangen war. Daß in der Partei aber längst noch nicht wieder die große Einheit herrscht, zeigte sich bei den weiteren Vorstandswahlen. Schatzmeister Heiner Erling, der als einziger aus dem geschäftsführenden SPD-Landesvorstand erneut kandidierte, brauchte ebenso zwei Wahlgänge wie neun der von den Unterbezirken vorgeschlagenen Beisitzer.

Ob wenigstens Tine Wischer sich jetzt auf die einhellige Unterstützung der Basis verlassen kann, das erschien vielen Genossen doch noch fraglich. Immerhin hatten etwa 60 Genossen den Parteitag trotz Vorstandsneuwahlen geschwänzt. „Ein Armutszeugnis“, meinten Delegierte am Rande. Doch laut wurde so etwas in Bremerhaven nicht gesagt. S.G.