„Aus Liebe zur Heimat Georgien“

Staatschef Schewardnadse schlägt Neuwahlen vor  ■ Von K.-H. Donath

Moskau (taz) – „Gott ist mein Zeuge, ich habe alles getan, was ich konnte“, schloß Schewardnadse und verließ die von Abchasen eingenommene Stadt Suchumi. Eigentlich wollte er bis zum Ende ausharren und die Organisation der Flüchtlingstransporte übernehmen. Doch das Parlament in Tbilissi rief ihn zurück. Ein Parlament, das Schewardnadse erst vor zwei Wochen in die Zwangspause geschickt hatte. Entweder er oder der Gesetzgeber führe die Geschäfte, so lautete die Forderung damals. Tausende seiner Anhänger versammelten sich daraufhin. Der Gesetzgeber gab klein bei. Ihm wurde klar, wo die Sympathien der Georgier liegen. Es sieht so aus, als würde Georgien Schewardnadse heute dringender brauchen denn je zuvor.

Der ehemalige Außenminister der UdSSR neigt zu dramatischen Gesten. Das zeigte sich nicht nur, als er einen Putsch gegen Gorbatschow prophezeite und zurücktrat. Auch gestern einen Tag nach dem „Fall“ Suchumis erklärte er, daß die Georgier „morgen“ dahin zurückkehren werden. Unterdessen bauen die Abchasen ihre Positionen weiter aus.

Doch inzwischen hat ihn die Dramatik eingeholt. Seit er im März 92 in seine Heimat zurückkehrte, stürzte Georgien endgültig in eine Tragödie und Schewardnadse mit ihm. Lange zögerte Schewardnadse, bevor er sich in Georgien wieder engagierte: „Ich habe lange und qualvoll über meine Entscheidung nachgedacht. Aber ich konnte die Gefühle nicht bezwingen, natürlich – weil die Zukunft meiner Heimat auf dem Spiel steht“, sagte er damals in dem ihm eigenen schwülstigem Pathos.

Und es gelang ihm noch einmal Unglaubliches. Vom Staatsfeind Nummer eins, der er während der Herrschaft seines verjagten Vorgängers Gamsachurdia gewesen war, avancierte er binnen weniger Monate zum rettenden Engel. Die Georgier wählten ihn mit 90prozentiger Zustimmung.

Obwohl er hohen Zuspruch erntete, wirkte sich seine Zeit in Moskau innenpolitisch hinderlich aus. Das erklärt, warum er sich nicht früher von Leuten wie Kitowani und Iosselani, die im Sommer 92 in Abchasien militärisch intervenierten, trennte. Es sah so aus, als hätten sie Schewardnadse vor vollendete Tatsachen gestellt. Und er zog mit, ohne eine Alternative zu präsentieren. Sein Westporträt als „Botschafter des Friedens“ trübte das erste Mal ein.

Der Konflikt mit Abchasien reicht Jahrhunderte zurück. Er läßt sich nicht dem Präsidenten anlasten. Aber auch der frisch getaufte „Georgij“ stimmte nationalistische Töne an, die nicht gerade zur Mäßigung beitrugen. Andererseits hatte er es mit einem Gegner zu tun, der von Anfang an keinen Kompromiß wollte. Abchasiens Präsident Ardsinba war sich seiner Sache sicher. Das offizielle Rußland würde sich raushalten. Für Moskau gab es wenig Anlaß, dem feindlich gesinnten Tbilissi zur Seite zu springen. Eine Intervention zugunsten Georgiens hätte die kaukasischen Randvölker Rußlands, die Abchasien unterstützen, auf den Plan gerufen. Wichtiger war aber die logistische und materielle Hilfe, die reaktionäre Militärs Ardsinba zuteil werden ließen. Das wirft der Präsident Moskau nun vor.

Schewardnadse klagte immer wieder über „imperialistische Kräfte, die den Konflikt in Abchasien anzetteln“. Er saß in der Zwickmühle. Allein schon aus diesem Grund konnte er Rußland nicht um Hilfe bitten. Er tat es dann schließlich doch. Rußlands Verteidigungsminister bot 5.000 Mann an, um einen Kordon zu schlagen. Schewardnadse lehnte ab. Könnte er das vor seinen Landsleuten vertreten? Er wollte nur 200. Moskau lehnte ab. Die Abchasen saßen schon in den Randbezirken Suchumis, nun stimmte Schewardnadse zu. Doch damit nicht genug, er bot auch den Eintritt in die GUS an. In der verlorenen Schlacht sieht Schewardnadse seine persönliche Niederlage – und geht soweit, sich nun seinem Rivalen Gamsachurdia bei Wahlen stellen zu wollen.