Heitmann führt sich selber vor

■ Der Kulturkampf-Kandidat stellt sich der Unionsfraktion / Als Heitmann-Ersatz werden Roman Herzog und IM Czerni-de-Maizière genannt. Aussichtsreichster Kandidat: Mr. Nobody

Bonn/Berlin (taz) – Kandidat Steffen Heitmann, der Kritik sammelt wie sonst nur Haare auf dem Kamm, stand gestern den 300 Mitgliedern der Unionsfraktion in Bonn Rede und Antwort; die verschlossenen Türen wurden bis Redaktionsschluß nur zum Austreten geöffnet. Dem Vernehmen nach hielt der Kandidat erst eine kurze Rede, in der er sich neben völkischen Gedanken zur Identität und der deutschen Geschichte vor allem welche zum starken Staat und zum Schutz von Ehe und Familie machte; auch die Themen Europa, Kultur und den Nord-Süd-Konflikt findet er durchaus wichtig. Bei einer anschließenden Befragung thematisierte die CDU-Abgeordnete Editha Limbach Heitmanns Staatsverständnis, und Rita Süssmuth stellte – begleitet von Unmutsäußerungen ihrer Kollegen – fest, daß des Kandidaten Auslassungen zur deutschen Vergangenheit überall offenbar „mißverstanden“ worden seien. Sie schloß die Frage an, wie Heitmann mit der großen Zustimmung seiner Ansichten seitens des rechtsradikalen Lagers umginge, und wurde dafür ausgebuht. Kohl sorgte für die rechte Stimmung mit der Bemerkung, er finde die Kritik an Heitmann „widerlich“. Da überrascht es nicht, daß Fraktionsvorsitzender Schäuble schon vor Ende der Sitzung von einer „überwiegenden Mehrheit“ von UnterstützerInnen für den Kandidaten in der Fraktion sprechen konnte.

Vor diesem Termin hatte Bundestagspräsidentin Süssmuth bereits auf gewisse Probleme des sächsischen Justizministers mit dem weiblichen Geschlechte und seiner Rolle in der Gesellschaft hingewiesen – und wurde prompt von der CDU-Frauenministerin Merkel aufgefordert, sie solle „vor der Fraktion ihre Unterstützung für Heitmann deutlich machen“. Abgeordneter Würzbach, CDU, gab bekannt, ihm sei das Ganze längst zu unübersichtlich geworden: „Ich fühle mich veräppelt, wie der CDU-Vorsitzende mit dem Amt, dem Kandidaten und uns Wahlmännern umgeht.“ Alois Glück, CSU, sagte, es sei schon ein „tolles Stück, wie die CDU in ihren eigenen Reihen für Verwirrung“ sorge. Unterdessen zog der Heitmann- Kritiker Friedbert Pflüger, Abgeordneter der CDU, seine unbotmäßigen Äußerungen mit einem klaren Satz zurück: „Ich habe nichts gesagt.“ Heitmann-Kritiker Geißler schließlich, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, monierte nicht nur, daß Heitmann ohne Befragung der Abgeordneten berufen worden war, sondern gab dem Kandidaten auch keine praktischen Chancen: Für ihn sei „schleierhaft“, wie Heitmann im dritten Wahlgang die relative Mehrheit erhalten könne. Geißler erinnerte an die Bundespräsidentenwahl von 1969, die der CDU-Kandidat Gerhard Schröder gegen Gustav Heinemann (SPD) verloren hat. „Als Folge landeten wir anschließend dreizehn Jahre in der Opposition.“

Von all dem unerschüttert, gab der in Rede stehende sächsische Justizminister der Bild-Zeitung zu Protokoll, sein östliches Vorleben habe ihn hart wie westlichen Kruppstahl gemacht, und stilisierte sich beiläufig und indirekt zum Widerstandshelden: „40 Jahre Leben unter dem SED-Regime haben mich gelehrt, wie Angriffe aussehen können und wie man diese durchsteht.“

Unterdessen werden unverdrossen neue Namen in die deutsche Runde geworfen: FDP-Außenminister Klaus Kinkel signalisierte ungeachtet der Kandidatin seiner Partei, Hildegard Hamm-Brücher, Öffnung „für jedes Gespräch“ über einen möglichen neuen Kandidaten. Politiker von CDU und FDP brachten gegenüber dem Kölner Express wieder einmal den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, in Vorschlag. Und diverse CDU-Politiker – einer gar mit dem schönen Namen Werner Ablaß – schlugen IM-Czerni Lothar de Maizière als „Präsidenten aller Deutschen“ vor – unter Verweis auf dessen „hohes Ansehen im In- und Ausland“.